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Donnerstag, 10. April 2008

Schicksal - Gotik - Renaissance


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In dem Maß, in dem sich die Einsicht durchsetzt, daß die Schöpfung in ihren (idealen) Formen von Gott selbst erzählt, ja diesen repräsentiert - bis Gott sich in Jesus selbst zeigte, in einem Menschen repräsentierte - wird die Darstellung naturalistisch-exakter, ohne in bloßen Realismus zu versinken. Im selben Maß vollendet sich die den dargestellten Menschen umgebende Welt, schließt ihn immer nahtloser und natürlicher ein, bis er mit ihr verschmilzt. Das kennzeichnet den Übergang von der Romanik zur Gotik.

Malraux meint deshalb, daß die Gotik für den Orientalen obszön wirken mußte, weil sie ihn auf die Erde gewissermaßen hernieder zerrte. Denn das dem Menschen eigentliche sei seine höhere Bestimmung, die sich in der Stilisierung ausdrückt. Wo immer der Mensch also im Allgemeinen aufgeht, folgt Stilisierung. Je individueller der Schicksalsbegriff wird, umso naturalistischer wird die Darstellung, weil die Sicht davon. Die Kunst geht von der Zeichenhaftigkeit zur Ähnlichkeit, ja "Restaurierung" vollkommener natürlicher Formen, die vor dem Hintergrund ihrer Idee, im Spannungsverhältnis dazu gezeigt werden.

Ebenso findet sich natürlich im Denken, in der Literatur der Weg vom Symbolischen zum Konkreten, vom Reimepos zum Roman. Malraux: "Das gotische Auge ist kein Zeichen mehr - es ist ein Blick. Denn im Ausdruck selbst zeigt sich das Sein, die Vereinigung mit Christus. Sie ist Menschwerdung. Gott wird in seinen Geschöpfen gezeigt, nicht mehr in seiner Einsamkeit." So erobert sich die Gotik einen Stand nach dem anderen, einen Schmerz nach dem anderen - ausgehend vom Schmerz selbst als dem eigentlichsten Drama des Geschöpflichen. In ihren Varianten blitzt das vollkommene Sein auf - in den Heiligen. Und in Maria als dem Tor der Frauen. So steigt Christus zum König auf, erwächst ihm aus den Dornen die Krone, nimmt er der Welt auch an Schwere damit.

Nicht das Abstrakte wird also idealisiert, wie in Byzanz, wie in der Antike, sondern das Besondere. Denn das Christentum erkannte jedem seinen besonderen Wert zu. Nur Gott selbst ist einst Richter. Der Glaube selbst aber hat die Form jedweden Gesichts. "Das Besondere ist weder Amt noch Ruhm noch Schicksal - es ist die Seele."

"Christliche Idealisierung bedeutete Ausdruck einer Ordnung und Harmonie, wie sie die Kirche dem Menschen und der Geschichte - nicht ohne tragische Rückschläge - aufzuerlegen bestrebt war. Die Welt nicht als Ordnung zu empfinden, bedeutet in der Kunst weniger, sie als Unordnung, denn als Drama aufzufassen ... Sie ist die Kunst der ersten Verdrängung des Dämonischen."

Und damit schwand die Angst. Die Formen wurden immer weicher, geschmeidiger, Lächeln taucht auf, die Linien werden zur Sprache. Man "ahmt" aber nicht nach, sondern man "wendet sie an." Womit der Weg ... zur Antike sich öffnet, zur Renaissance, zum Barock. Brauchte der Mensch zuvor Theologie, brauchte er nun, im menschlichen Lächeln, Anatomie.





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