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Donnerstag, 8. Mai 2008

Die Beilagen kosten mehr als das Fleisch

Die Jagd nach dem niedrigsten Preis zeitigt längst ganz besondere Früchte, die wir uns alle selbst zuzuschreiben haben. Durch den Zwang, immer genauer zu kalkulieren, hat sich das Prinzip des niedrigsten Preises zugespitzt. Es braucht den "Idealfall". Jede Abweichung ist nicht mehr kalkuliert.

Damit hat man eine durchaus "esoterische" Quelle der Inflation geschaffen. Denn jedes Ausbrechen aus diesem Idealfall wird überproportional teuer.

Am Beispiel: Das auf eine Kalkulation sich auswirkende Kostengefüge eines Unternehmens wird idealisiert und drückt sich dann in einem (niedrigen) Preis aus. Konkurrenzfähigkeit wird generell also auf dieses idealisierte, ja nahezu utopische Wirtschaftsgeschehen bezogen. Jeder außerordentliche Fall aber durchbricht das normale Kalkulationsgefüge und bleibt "gesondert" nachzuforden.

Ist Ihnen nicht aufgefallen, daß Sie für fast alles bereits extra zahlen müssen, und das wird immer schlimmer, erfaßt immer mehr "Außerordentlichkeiten", engt also den "Normalfall" immer mehr ein, was vor ein paar Jahren, noch mehr vor Jahrzehnten keinen einen Muckser wert war? Sie wollen nicht abbuchen? Zahlscheingebühr. Sie wollen direkt im Geschäft ihre Rechnung zahlen? Das kostet extra. Sie wollen auf Ihrer Hausbank eine Überweisung (von IHREM Konto) auf ein bankfremdes Konto tätigen? Gebühren. Sie wollen einen Sonderwunsch? Das kostet so viel, daß sie es lieber lassen sollten.

Noch vor ein paar Jahren meinte man deshalb, die Wirtschaft würde sich "zweiteilen" (noch früher: es würde nur der standardisierte "Normfall" übrigbleiben) - in "Normfällelieferanten" (Billigmärkte etc.) und in Spezialisten (die dann auch sehr teuer sind.)

Heute - ein beeindruckendes Beispiel: Bei Billa und Hofer - beginnt man einzusehen, daß auch dies nicht funktioniert. Allmählich versucht man, wieder in ein Insgesamt zu integrieren, was früher eben funktionierte. Wo man noch wußte, wie der Mensch war, wo man dem Partner im Wirtschaftsleben nicht unterstellte, wozu man ihn bald immer mehr zwang. Billa will zum "Greißler" werden. Hofer gute Qualität, ja "bio" anbieten. Eine Wirtschaft des geringeren Übels, des Mangels also, eine Wirtschaft der Häresie: Das Ganze aber gibt es nicht mehr.

"Man"? Im Grunde waren es immer jene, die das Ganze zerstörten, die Häretiker waren - und auf Grundsätze pfiffen, die das gesamte Leben lebenswerter, weil menschengerechter machten. Ich denke mir das immer, wenn ich Wlaschek und sein "Billa" sehe. Was tat der? Er frustrierte die Kunden, um sie mit billigeren Preisen zu erfreuen. Und setzte damit wie übrige "erste" dieser Art eine Spirale in Gang, die zu den heutigen Erscheinungen am Markt ("Strukturbereinigungen") führten und längst alle Branchen erfaßt hat. Die meisten Branchen wurden von diesen Vorgängen "gerupft" zurückgelassen.

Die Folgen werden noch weit mehr zu spüren sein, als wir heute gerne hätten und als uns meist auffällt. Denn Fälle außer der Norm sind preislich argumentierbar oder so "klein", daß sie im Einzelnen nicht auffallen. Aber ... in Summe sich dann bemerkbar machen werden. Mit dem Effekt, daß der Einzelne sich "schuldig" fühlt. Er ist es ja, der nicht "normal" funktioniert. "Normal" - das wird zum Fehlerlosen! Auch hier also die Utopie als Ergebnis und Maßstab von heute.

Auch in der Wirtschaft aber gilt das Gesetz des "Energieausgleichs". Es hat fast etwas Charmantes, auch diese Spielart des Irrtums zu verwirklichen - zu glauben, man könnte dem Leben doch mehr herausreißen ... So geben wir für die Beilagen heute mehr aus als für das Fleisch, wie der Volksmund sagt. Ist zwar das "Leben" in seinen Grundzügen tatsächlich "billig", aber das, was nie auszuschalten sein wird, frißt alles andere auf. Weil der Mensch so ist wie er ist - voller Fehler und Versagen. Wenn das Maß des Wirtschaftens nicht mehr auf DIESE Normalität ausgerichtet ist, auf das, was wir allesamt höchstens schaffen - den Durchschnitt - dann wird es wirklich hart, dann wird es unmenschlich. Und so weit dürften wir bereits sein.

Das funktioniert auch, scheinbar, und hält uns in unseren Hamsterrädern. Wo wir leben, um zu arbeiten, uns selbst zu optimieren ... anstatt: uns zu wirklichen. Und alle Unmenschlichkeit hinzunehmen als das, was sie ist - ein Fluch. Dabei jenen ins Gesicht zu grinsen, die uns einreden wollen, daß wir, gerade wir, vollkommen sein KÖNNEN, sodaß wir das aufgeben müssen, was doch das Leben überhaupt erst auszuhalten macht: Barmherzigkeit. Auch uns gegenüber. Und von dort heraus gegenüber anderen.

Schon vor vielen Jahren und mit völlig anderem wirtschaftlichen Hintergrund als heute habe ich nämlich festgestellt, daß zu leben für alle letztlich ... gleich ist. Es unterscheidet sich nur in der Stellung im Insgesamt, nie am weniger oder mehr an Kreuz oder Glück. Keiner und nichts aber hat es sich durch Leistung zum "Recht" verdient.





*080508*