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Freitag, 21. August 2009

Nicht ganz bekannt, von Kraus

Fritz Kortner spuckt in seinen Memoiren gegen (den späten) Karl Kraus Gift und Galle. Denn Kraus hatte sich nicht nur zunehmend gegen die Linke gestellt, sondern Hitler auch noch völlig unterschätzt, wie Kortner meint. In der "Fackel" habe Kraus sogar Theodor Haecker das Wort erteilt, mit der (etwa 1935) getroffenen Aussage:

"Das aktive Böse dieser Welt ist heute in Westeuropa in der Form der Formlosigkeit in Presse und Publikum zu Hause, in Parlamentarismus, Wählerschaft, Bank- und Geldwirtschaft, lauter anonymen, vollkommen verantwortungslosen, nicht faßbaren Massenmächten. Ich werde aber von dem Glauben nicht lassen, daß der blutrünstigste Tyrann noch leichter zu jenem geistigen Verantwortlichkeitsgefühl gelangen kann, ohne das keiner herrschen darf, leichter, sage ich, als die von Verleger, Abonnenten und Inserenten abhängigen Redaktionskollegien in Massenauflagen erscheinender liberaler und sozialdemokratischer Zeitungen und Zeitschriften."

Schon zuvor zitiert Kortner mit Abscheu Kraus, wie dieser 1913 in der "Fackel" bereits schrieb: "Meine radikalen literatischen Freunde, die noch ahnungsloser waren als die feudalen Privatgesellschaften, haben ... seit fünfzehn Jahren nicht gemerkt, daß ich die Pest weniger hasse als meine radikalen literatischen Freunde. Sie haben meine Angriffe auf die jüdischen Liberalen, auf Bourgeoisie und Neue Freie Presse für linksradikal gehalten und nicht geahnt, daß sie, wenn ich überhaupt etwas will und wenn sich das, was ich will, auf eine staatsverständliche Formel bringen läßt, im höchsten Maße rechtsradikal sind. Sie haben geglaubt, ich sei ein Revolutionär, und haben nicht gewußt, daß ich politisch noch nicht einmal bei der französischen Revolution angelangt bin, geschweige denn im Zeitalter zwischen 1848 und 1914, und daß ich die Menschheit mit Entziehung der Menschenrechte, das Bürgertum mit Entziehung des Wahlrechts, die Juden mit Entziehung des Telefons, die Journalisten mit Aufhebung der Pressefreiheit und die Psychoanalytiker mit Einführung der Leibeigenschaft regalieren möchte."

Das sollte man vielleicht nicht nur wissen, wenn man Kraus als Fackelträger der Linken mißbraucht. Diese Seite an Kraus, der aber doch sein Werk die Qualität verdankt, an der niemand vorbeikann, und wie peinlich wäre es: die wirkliche Hellsicht käme nicht von Links ... wird gemeiniglich nämlich ausgeblendet, ja man vergißt sie sehr gerne. Hier also, als Überraschung, und mit Genugtuung serviert.





*210809*