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Donnerstag, 17. September 2009

Aber niemand sieht es

In ORF eine Dokumentationssendung über die Menschenvernichtung zur Zeit des Dritten Reichs. Es fehlen einem die Worte.

Aber die Erschütterung steigert sich seltsam, als mehr und mehr auffällt, daß ganze Passagen der Dokumentation, die sich vieler alter Filmaufnahmen bedient, in Bild, noch mehr in Ton, über eine Dokumentation über die Gegenwart gelegt werden können.

Und ich schneide bereits im Kopf einen Dokumentationsfilm für das Jahr 2050, in dem über Euthanasie, Sterbehilfe und Abtreibung berichtet wird, über die Greuel der Jahrzehnte von heute. Denn die Argumente decken sich so auffällig, daß es fast unerträglich wird ...

Aber niemandem scheint es aufzufallen.

Weshalb die Warnung, wie immer in den Wind gesprochen, noch dringender ist, die Unmenschlichkeit nicht als das zu sehen, was sie ist: kein an bestimmten konkreten Phänomenen festzumachendes Verhalten, sondern eine innere Haltung. Und die Grundhaltung damals wie heute ist es, die deckungsgleich ist: die Haltung zum Leben, zum Menschen. Ja im Gegenteil, hat sich heute sogar noch diese Geisteshaltung ausgebaut, die sich damals aus technischen Gründen - die Mediendurchdringung war nicht so groß - nicht so perfekt in den Gehirnen und Herzen der Menschen festsetzen konnten: die Bewertung von Leben, als belastend, als unwert, die Selektion von Behinderten bereits im Mutterleib, die Kalkulation des Lebens nach "Leiderlösung" durch passive oder gar aktive Sterbehilfe.

Und über allem liegt die Tangente, deren Zielpunkt frösteln macht. Weil das, worauf wir ungebremst und immer rascher zurasen (alleine die Erfahrungen der letzten Zeit, die mir demonstrierten, wie sehr Sterbehilfe bereits in den Köpfen und Herzen der Menschen als normal und richtig verankert ist) die Haare zu Berge stehen läßt. Und niemand sieht es ... ja, es fällt nicht einmal auf, daß dieselben, die heute an den Schrecken warnend und mit Tränen in den Augen erinnern, begehen oder begünstigen ihn, unter kaum faßbar oberflächlicher Kaschierung, im nächsten Moment.

Nein, nicht einfach, indem wir "den Nationalsozialismus" verhindern, machen alle Beteuerungen des "nie wieder" Sinn. "Den" Nationalsozialismus zu einer wirklichen Ideologie für sich hochzustilisieren, ja ihm nachträglich Logik zu unterschieben, die er gar nie hatte, und die schon deshalb solche Argumentation untauglich machen, weil zu viele Fakten (die Begeisterung, die Modernität, das Gemeinschaftserlebnis, die moderne Lebensqualität, etc.) durch den Rost fallen und dadurch widersprechen, das also gehört bereits zur Verdrängungsmechanik, deren wir uns heute ja so perfekt bedienen.

So perfekt, daß man unser ganzes Leben bereits so charakterisieren kann: als perfekte Verdrängungsmaschinerie und -technik, die die Folgen unseres Lebens und Handelns "vergast", weit wegschiebt, sodaß sie möglichst nicht wahrgenommen werden können. Weil Ursachen und Wirkungen argumentativ und/oder erlebbar trennen, und damit Erkenntnis der Wirklichkeit, aber auch ein Begreifen der Geschichte, verhindern.

Aus der Geschichte lernen heißt hier nicht, keinen "Nationalsozialismus" mehr zuzulassen. Und dabei nicht einmal zu sehen, daß er über weite Teile, und zwar gerade in seinen abscheulichsten Seiten, nicht nur überlebt hat, sondern ungebrochen wütet. Auf eine neue, und noch schrecklichere Apokalypse hin.

Der Orkan dafür baut sich längst auf.




*170909*