Dieses Blog durchsuchen

Montag, 30. November 2009

Das Publikum selbst schafft die Wirkung

Keine Welt ist so geschlossen wirksam, so kräftig, so echt, so lebendig, wie jene, die ein Zuseher einer Darbietung in sich selbst formt. Deshalb liegt ein Trugschluß in einer ständig weitergehenden technischen Perfektion einer darstellenden Kunst (im Kino z. B. die längst unaufhaltsame Entwicklung des 3-D-Films, der optischen Technik der Dreidimensionalität; ja diese Diskussion wurde mit Recht bei jedem technischen Schritt neu geführt, am intensivsten sogar im Sprung vom Stumm- zum Tonfilm. Meist geht die technische Entwicklung der darstellenden Künstler nur noch in die exakt gegensätzliche Richtung - einer Verringerung des Erlebens, zugunsten einer simplen Herstellung von Erlebensfrüchten - in der Sentimentalität, die eine rationale Übereinkunft ist, kein Erleben, und deshalb mit Dämonie direkt zu tun hat. (Wie künstliche Aromen, die auf einen oberflächlichen Eindruck hin auch so schmecken wie echte Früchte ...) Damit wird aber auch die Fähigkeit des Publikums, überhaupt zu erleben, durch falsche Gewöhnung zur Faulheit reduziert, erschlafft das Rezeptionsvermögen.

Wirklich bedeutet eben nicht Realität jetzt, sondern Präsenz der wirksamen Kräfte. Und die sind in der darstellenden Kunst nie - nie! - im faktisch Gegenwärtigen einer Darbietung, die zugleich zum Erlebnis werden soll.

Das Erlebnis, das aus Wirkungen entsteht, ist immer jenes, das im Publikum geschaffen wird, weil dieses selbst es sich schafft. Es liegt nicht in einer 1:1-Nachahmung der faktischen Realität. Daraus ergibt sich ein zwingender Verweis auf das Material, dessen sich der Künstler bedienen muß!

Er kann ausschließlich aus Elementen schaffen, die im Publikum enthalten, die vorhanden sind. Aus so verschiedenen Herkunftsbezirken die auch stammen mögen - tiefen seelischen Gegebenheiten. Der Eindruck von etwas Neuem entsteht nur deshalb, weil etwas bisher Unbekanntes benannt, damit vom Künstler bewußt gestaltet wurde - und in dem Moment auch jede Herrschaft der Dämonie, ja eines solcherart fälschlich als "Schicksal" verstandenen numinosen Wirkens endet.

Hugo v. Hofmannsthal schreibt einmal über das Publikum (der Salzburger Festspiele): "Und wie der Erdboden zu gewisser Zeit gewissen Samen die größte Lebenskraft verleiht, andere gerade nur duldet, zu anderen Zeiten anbaumüde wird und des Wechsels bedarf, so verhält sich das Publikum zur theatralischen Darbietung."




*301109*