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Donnerstag, 10. Dezember 2009

Wer war, wer ist aber der Bettnässer?

Werden nun auch, unter dem Druck des Wirklichen, die Zeitungen realistischer? Hören sie auf, diesen Furz gelangweilter Große-Welt-Spieler, der dieser sogenannte Studentenprotest von Anfang an war, fahrlässig, ja heimtückisch zu einem Gasdruck aufzubauen, der durch das Ventil völliger Entwirklichung fuhr, und dabei diese jungen Menschen schamlos zu Schemen eigener Wunschvorstellungen mißbraucht, die vor allem einem folgen: der Hoffnung, daß andere irgendetwas tun, über das zu berichten sein könnte, nötigenfalls erfinden wir etwas? Content, endlich, bitte, bittebitte, Content?! Wer füllt sonst die Zeitungsspalten mit "Sensation", die Nährbrotstreifen der Generation der Twitterer und social mediatisierten?

Oder passiert das aus wirklicher Feigheit, aus wirklichem schlechtem Gewissen, von all den Vorgängergenerationen übernommen? Dafür spräche, daß dieselben Leute, die ein Nichts zur republikstürzenden Sensation aufbliesen, nun, nachdem sie die Luftblasen losließen mit dem Finger auf sie zeigen und sagen: na wo ist sie nun, EURE Revolution? Die von den Medien selbst erfundene Revolution fand nämlich nicht nur nicht statt - sie wird nun als gescheitert denunziert. Da wird den Jugendlichen, die es gar nie waren, nun auch noch Versagen zugedichtet.

Wie es halt zu einer guten Geschichte gehört. Denn so beginnt der KURIER seinen heutigen Artikel über die "österreichischen Studentenproteste", über die "neue Ära jugendlichen Protests", ja (wie sich eine andere Zeitung gar in einem Kommentar verstieg) über "eine neue, nie gesehene studentische Revolution," mit untenstehender Einleitung, als hätte er es ja immer schon gewußt. (Wir haben es ja ohnehin anders wahrgenommen, man schlage hierorts nach.) Das illustrative, beschämende Bild (Copyright: Kurier) ist übrigens eine tagesaktuelle Aufnahme. Ich ordne diesen Beitrag aber nicht deshalb auch unter das Label "Humor" ein.

Eine Klavierspielerin, zwei Studenten und 15 (größtenteils schlafende) Obdachlose, die augenscheinlich mit Sack und Pack an die Uni Wien übersiedelt sind - so gestaltete sich Donnerstagvormittag der 50. Tag der Audimax-Besetzung. Die skurrilen Momentaufnahmen im okkupierten Hörsaal häufen sich, und sie passen mittlerweile ganz gut als Bild für die Besetzung: Es gibt auch nach sieben Wochen keine offiziellen Vertreter, keine realistischen Forderungen an die Universitätsleitung - und vor allem keine Exit-Strategie.

Ja, wer schrieb denn da von "berechtigten Protesten", vom Aufstand einer Generaten "gegen" ... WOGEGEN? Wonach wurde es als berechtigt bewertet? Da waren doch NIE Forderungen, außer die üblichen "Wir sind für den Weltfrieden"-Rufe? Erst wirklich irr, nicht einmal mehr bizarr, wirkt die Szenerie, wenn man weiter liest:

"Die Lage hat sich zugespitzt", sagte Rektor Georg Winckler, der Donnerstagvormittag zum dritten Mal im Rahmen des Uni-Dialog-Forums mit Besetzer-Vertretern über einen Abzug aus dem Audimax verhandelte. Es gebe "Sicherheitsprobleme verschiedenster Art", ein Besucher sei tätlich angegriffen worden. Auch sei die Uni nicht bereit, täglich mehr als 20.000 Euro für Ersatzquartiere auszugeben.

Winckler bot am Donnerstag erneut an, den Studierenden Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen: "Ich verhehle auch nicht, dass jetzt genügend Dialog und Bewegung von Seiten der Uni vorhanden war."

Bis Freitagabend will Winckler eine Entscheidung haben. Die Besetzer haben angekündigt, das Ultimatum verstreichen zu lassen. Ihre Begründung: Ein Ende der Besetzung würde auch "zahlreiche Obdachlose betreffen, die vor Weihnachten in die Kälte geschickt würden".
 

Jede Wette der Welt aber: In fünf, ach was: in drei Jahren, erzählen dieselben paar Studenten ihren Enkeln von ihren Heldentaten. Kurz, nachdem sie in Pension gegangen sind, und auf ein langes, ereignisreiches Leben voller Höhepunkte zurückblicken. 

Als Schande einer ganzen Generation gehen sie aber gerade noch durch. So klar, daß man sich genötigt fühlt, jene zu verteidigen, weil man auch andere kennt, und man nur noch Mitleid hat.

Aber was rede ich? Einer Generation? Den Jungen? Und was ist mit den "Verantwortlichen"? "Die Lage hat sich zugespitzt," sagt der Rektor. Das fasse, wer es fassen kann. Ran an den Pranger! Selbstverständlich! Aber mit dem Rektor. Der ja bislang gar nicht vorhanden war. Na gerade nicht, daß man die Studenten von Universitätsseite aus mit Brötchen und Leckerli versorgt hat. Also, eine Jugend, die muß doch protestieren, und sie haben ja so recht, so recht.

Hier ist tatsächlich längst die herbeizitierte Wut angebracht. Und zwar auf die Pädagogen und Eltern und Ministerialen, mit ihrem nun schon jahrzehntelang abstoßenden und umso vehementer als klug verteidigten, eine ganze Generation regelrecht vertrottelnden Versagen, das solche Bettnässer in die Welt gespuckt hat. Die man tatsächlich nun nur noch als Opfer sehen kann. Die für ihr ganzes Leben punziert sind.

So weit hat es ja kommen müssen. Erst fesselt und knebelt man sie indem man pädagogisch wertvoll ihre Schwächen stärkt, verweigert ihnen jeden Halt, zwingt sie, wehrlos geworden, die Hirne mit Scheiße vollzustopfen, damit sie überhaupt noch existieren, zwingt sie jedes eigene Wahrnehmen und Verhalten schon im Ansatz über Ideologenkämme und Werteerziehung wie Aludosen-Trennung und Klimaschutz-Rauchverbot zu verbiegen, und dann verhöhnt man sie noch, weil sie, blind geworden, mit völlig falschen Landkarten ausgestattet, wie Betrunkene herumirren. Und in Hörsälen herumliegen, wenn nicht gerade Weihnachten ist, und Obdachlose beherbergen, zu irgendwas muß es ja gut sein, und vor allem: wir sind ja gut wie wir es gelernt haben, Obdachlose, diese Opfer der Gesellschaft, ein Wahnsinn. Nun ist es erwiesen. Wir bringen ihnen den Kuchen, den Antoinette verweigerte.

Schließlich hat sich sogar die große Menschenversteherin, die Gewerkschaft, "solidarisiert" (das ist ja ihre große Stärke), und ist mit auf die Straße gegangen, sodaß dann ein paar hundert oder tausend Gewerkschafter ein paar Dutzend Jugendliche förmlich an den Händen hielten, "Gewerkschaft und Jugend sind eins" oder so, die trotzdem noch ehe das Ziel des Protestzuges überhaupt erreicht war, verduftet waren - es war ihnen schlicht "zu kalt". Und die Öffentlichkeit nickt verständnisvoll. Na bei DEN Temperaturen?

Und das alles nur, weil die offizielle Öffentlichkeit, die zu einem einzigen Schmierentheater verkommen ist, jemanden braucht, der die eigenen Sünden sühnt, dieses komische schlechte Gewissen zur Ruhe bringt. Weil man jemanden braucht, der die eigenen Fehler verbirgt, indem man Fehlermuster erfindet, die komischerweise gar nie vorhanden, gar niemandem ein Anliegen waren. Weil die wahren Probleme ganz woanders liegen.

Wir lassen unsere Jugend nicht nur erst verkommen, aber aus ganz anderen Gründen als wir vorgeben, wir erfinden nicht nur auch noch ihre Proteste, wir lassen sie daran dann auch mit Häme in der Stimme so richtig scheitern. Wir haben es ja immer gewußt.

Also ermuntert, nein hetzt man Hundertscharen unbedarfter Schopflöckchen, die ungemein überzeugend in die Kamera japsen, daß es "jetzt wirklich reiche", auf die Sträßchen - wenn es nicht zu kalt ist - um dann in die Fernsehkameras, die "die großen Jugendproteste" mit geilem Lippenschnalzen begleiten, wie Alkoholiker nach ihrem Rettungsviertel nach vier Stunden Abstinenz, irgendwas von "mehr Geld für die Bildung" lallen, und überhaupt muß alles besser werden, seien wir's uns doch ehrlich, ist ja alles, also irgendwie. Nach Weihnachten jedenfalls.

Mir graut. Mir graut! Was wird da an Wut aber noch zurückschlagen. Wenn ihnen einmal bewußt wird, diesen Jungen, wie man sie da vorgeführt hat?! Der Kakao, durch den man sie zog, sie trinken ihn nun noch.

DANN werde ich genau diese Generation aber unterstützen, ich schwör's, und allem Widerwillen zum Trotz. Denn mit ihr sitze ich in Wahrheit im selben Boot.



P. S. Jede Wette: In einem Jahr nuckelt dann ein von der Gewerkschaft poussiertes Studentenvertreterschweinchen in die Kamera, daß die Studentenproteste, in denen eine ganze Generation auf die Barrikaden stieg, Erfolg hatten - es gibt sie, die neue Bildungsmilliarde, oder zwei. Wählt deshalb [Klara Liebspecht] ins nächste Politgremium, ihre Karriere im Parlament ist vorgezeichnet. Sie hat den Studentenprotest artikuliert. Und [wir] haben die Jugend gehört. Ich meine: wenn wir die Probleme erfinden, wenn wir die Proteste dieser Probleme wegen erfinden, wenn wir ihr Scheitern erfinden, wenn wir das Versagen einer Jugend erfinden - warum sollen wir dann nicht auch die Erfolge der Politik erfinden können, die die erfundenen Probleme mit erfundenem Geld löst, samt erfundener Politiker? Ihre Vita ist ja schon geschrieben: "Internationales Aufsehen erregten die von ihr geleiteten und organisierten erfolgreichen Jugendproteste von 2009." Ihre? Klar. Derzeit werden nur Politikerinnen erfunden. Business as usual, in jeder Hinsicht. Und von wo wenn nicht aus den Hörsälen sollen sie denn kommen, die zukünftigen Führungseliten des Landes?




*101209*