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Sonntag, 21. Februar 2010

Hoffnungslos, aber nicht kritisch

Vielleicht muß man manchmal etwas korrigieren - den Eindruck der entstehen könnte, betrachtet man den Kern des Schöngeistigen, als das Zentrum des Lebens überhaupt. Das nämlich immer (auch) eine fundamentale Kulturkritik bedeutet.

Und auf manchen Blick wie fatalistisches Endzeitdenken (von Schöpfungsverneinung gar nicht zu reden) wirken könnte.

Das ist es zwar, aber nur: auch.

Es wäre deshalb verkehrt, zu meinen, kritische Haltung wäre gnadenlose apokalyptische Drohung. So sehr Kritik heute zum Schluß kommen könnte, es wäre nichts mehr zu retten. Vor dieser kulturellen Verzweiflung sei gewarnt! Auch sie ist oft lediglich Ausflucht.

Jede Kulturkritik ist nämlich zu allererst eine Prognose aus korrigierbaren (!) Mißständen heraus, ist ein prophetischer Aufruf zum "Kehrt um!" Und es ist eine Kritik, die sich aus der unvermeidlichen Reibung des Faktischen mit dem Idealen ergibt. Weil diese Verfehlungen aus der immer gleichbleibenden Haltung des Menschen auch immer gleich sind, gleicht sich ja die Kulturkritik aller Jahrtausende, und hat ihre Kritikparameter durch den Fortgang der Geschichte bis zur hellsten Hellsicht geeicht weil verifiziert. Sie ist aber nie Fatalismus - das träfe nur dort zu, wo wir genau das beklagen, was Kritik einfordert: menschliches Handeln in Freiheit und Wahrheit. Nur dort liefern wir uns unabänderlichen Mechanismen aus.

Ohne diese kritische Grundhaltung würde man sich somit den Mechanismen der Zeit ausliefern. Das Leben aber kann nur dann nicht verfehlt werden, wenn seine Richtung ständig auf sein wirkliches, volles Ziel hin korrigiert wird. Passiert dies nicht, so wird sich das Leben freilich verfehlen, mal mehr, mal weniger, oder auch ... ganz. Zumindest ist das nicht auszuschließen.

Aber ganz sicher nicht besteht die Haltung der Lebensbejahung in einer Eingliederung in die Heerschar selbstzufriedener Bonvivants und Ja-Sager, die nur nicht beim Beuteverzehr gestört werden möchten. Wirklich Ja zu allem konnte man nur im Paradies sagen. Seither sind wir aber gezwungen, die Geglücktheit unsere Lebens selbst zu wollen, und den Kurs selbst festzulegen. Denn seither können wir unser Leben auch verfehlen - wir wollten es so, wir wollten Gut und Böse unterscheiden können, wollten auch die Freiheit zum Bösen ausprobieren, und deshalb auch dem Nichts Raum geben. Damit aber müssen wir auch täglich und stündlich neu wählen und uns über das Nichts erheben, und müssen wir uns trainieren, für dieses Gut auch genug Kraft zu haben, um es überhaupt wählen zu können. Was man Tugend nennt.

Deshalb KANN eine gesunde menschliche Haltung nur eine Haltung der Kritik sein, um uns diese Freiheit immer wieder neu zu erringen. Die pessimistisch sein kann, aber dennoch nie in dieser Kritik versinkt.