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Mittwoch, 17. Februar 2010

Wie alles kam (2)

Der SPÖ-Vorsitzende 1945, Dr. Bruno Pittermann, meinte einmal: "Wenn wir früher für eine Schlüsselposition unter zehn Anwärtern auswählen konnten, ist es heute umgekehrt, jetzt warten zehn Posten auf einen qualifizierten Mann."

Die SPÖ hatte nach 1945 unter starken Nachwuchsproblemen in ihren Führungsreihen zu kämpfen - es fehlten die "Böhmen und jüdischen Intellektuellen", wie Pittermann es formulierte. Deshalb wurden nationalsozialistisch belastete Personen toleranter behandelt, als dies zum Beispiel die ÖVP tat. Hier aber fand man die "qualifizierten" Manager für die zahlreichen zu besetzenden Schlüsselpositionen - rasche Karrieren konnten hier gemacht werden, unter der Prämisse, daß diese Leute auch anbieten mußten, im Tausch gegen ihr "come back" in verstaatlichter Industrie und Verwaltung sozialistische Interessen strikt zu vertreten.

Das war schon deshalb viel pikanter, als es aussieht, weil über die Verstaatlichtenindustrie (mit 300.000 Beschäftigten, etwa einem Sechstel aller Arbeitnehmer Österreichs 1945ff) mit ihren sozialistischen Funktionären und Managern auch der Einfluß auf die Verteilung der Millionen aus dem Marshall-Plan groß war!

Gleichzeitig wurde die Heranbildung junger Akademiker angestrebt - im BSA (Bund Sozialistischer Akademiker) entwickelte sich tatsächlich binnen weniger Jahre eine Riege sozialistischer Manager und Beamter, und bald gewann der BSA als "think tank" auf auch längst bestehende Einrichtungen großen Einfluß. Die Gesetzgebungsprojekte wurden immer komplexer, die Verhandlungen mit den Sozialpartnern brauchten inhaltliche Kompetenz. So wurde der sozialistische Funktionär alter Schule mehr und mehr von einem beamteten Apparat junger Referenten abhängig.

Diese kamen, so beschreibt es Alexander Vodopivec in einem seiner Bücher zur Analyse des Nachkriegsösterreich, meist erst im Laufe ihres Studiums mit dem Sozialismus in Berührung, und standen den weltanschaulichen Differenzen der Zeit nach 1934 verständnislos gegenüber. "An Stelle des Dialektikers der Zwischenkriegszeit, wie Otto Bauer es gewesen war, trat der politische Manger, der Parteibeamte und Technokrat in den Vordergrund."

Die SPÖ hatte ja - anders als die ÖVP - Geld! Mit ihren 700.000 zahlenden Mitgliedern betrug ihr Budget 1946 nur durch Mitgliedsbeiträge dreißig Millionen Schilling (!), das war viermal so viel wie die ÖVP hatte, die durch ihr bündisches System Probleme hatte, sich durch Zentralisierung bundespolitisch effektiver zu gestalten. Dazu kamen zahlreiche SPÖ-Betriebe, vor allem eine Kinokette, eine Großdruckerei, dazu mehr als ein Dutzend Buchhandlungen und Verlage. Auch hier hinkte die ÖVP deutlich hinterher, denn mit Parteibetrieben wäre sie in Konflikt mit ihren Mitgliedern im Wirtschaftsbund geraten.

Apropos Kino: nach 1945 galt Kino so wie Theater, ja die gesamte Kunst-, Kultur-, Zeitungs- und Verlagsszene, als strengen Reglementierungen durch den alliierten Kulturrat unterworfen. Besonders rückgekehrten Juden, Sozialisten, "Anti-Nazis", etc. standen Tür und Tor offen. War man, wie der Vater des Autors dieser Zeilen, als "Freiheitskämpfer" eingestuft, erhielt man sogar Papier für Zeitungsgründungen zugeteilt ...
 
 
 
 
*170210*