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Dienstag, 9. Februar 2010

Wirkmächtigkeit und Mythos

Bäumler weist in seiner Auseinandersetzung mit Bachofen in "Das mythische Weltalter" darauf hin, daß es zu einem Konflikt zwischen Wissenschaft und mythischer Deutung der Geschichte bei Bachofen kam, und immer kommen muß. Aber es stellt sich die Frage, ob das nicht ein Scheinkonflikt ist.

Denn auch wenn man die tradierten Erzählungen "frei macht" von jenen Schichten und Veränderungen, die sich im Laufe der Zeit darüber gelegt haben, so bedeutet auch das Freilegen einer "ältesten Schichte" keineswegs alleine schon mehr "Authentizitätsgehalt", weil auch die unmittelbarsten Niederschriften und Aufzeichnungen bereits eine Deutung sind, die, wie alle menschliche Deutung, ohne Phantasie nicht auskommen. Und die Phantasie konturiert schärfer, macht die Linien der Geschehnisse einfacher, und läßt manches weg, das nicht die wirkenden Prinzipien bedeutet - die in jeder Erzählung dargestellt sein wollen. Und zwar nicht im Maß dessen, was war, sondern was sich in den Herzen der gleichzeitigen und nachlebenden Menschen angesichts der Tage ereignet hat. Denn die Phantasie behält nur, was ihr Eindruck macht, und so, wie ihr etwas Eindruck macht. Auch darin liegt eine Wahrheit.

Weshalb es immer nur in der Geschichte um das Erfassen der "wirkmächtigen Linien und Kräfte" gehen kann. Die Zeitnähe zum Ereignis spielt da nicht unbedingt eine Rolle, im Gegenteil, manchmal kann das weitere Ausrollen von Ereignissen Zusammenhänge offenbaren, die erst nach langen Jahren ans Tageslicht treten, und die doch in jenem Ereignis ihre Wurzeln haben.

Die Empirie der Ereignisse, das Feststellen von Tatsachen, ergibt noch keine Geschichte. Also integriert sich in jeder Form von Geschichte auch das mythische Element. Geschichte ist sohin die Exegese der Menschheit, ist die Explikation des Mythos des Menschen im Ringen um Freiheit.