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Dienstag, 16. März 2010

Quelle Mythologie

Die Poesie öffnet auf einen Deutungshorizont hin, und sie öffnet immer am Konkreten, am Gegenständlichen. In "Gespräch über die Poesie" zeigt Friedrich Schlegel richtig, daß die größte Gefahr der Kunst - und ihrer Konstituenten, der Poesie - davon droht, daß sie sich ohne Mythologie wiederfindet.

Das sieht Schlegel - zu dem Zeitpunkt noch Protestant! - als die eigentliche Aufgabe der Romantik. Und er, wie die Romantik selbst, ahnt diesen großen Sündenfall des Abendlandes. Und will den Bruch heilen.

Es nimmt nicht wunder, daß der Pantheismus eines Spinoza, die "Mystik" des 18. Jahrhunderts (als Schwärmerbewegungen, selbst Ersatzhandlungen dieses großen Bruchs zum Ausgang des Mittelalters, unerhört populär), als jene Ideen gesehen werden, die die dem Protestanten fehlende Metaphysik ersetzt.

Poesie aber öffnet das Fenster, und sie tut es aus der Metaphysik heraus, auf ihrem Boden. Denn die wahre Metaphysik IST Poesie, unnennbar im Grunde, nur abgrenzbar - zerstört von den Genannten, die Auswählungen ("Häresien") waren und sind. Und der Boden für Kunst wie Wissenschaft gleichermaßen.

"Die Mitteilung und Darstellung aller Künste und aller Wissenschaften kann nicht ohne einen poetischen Bestandteil sein." 

Schlegel sieht diesen Bedarf auch, und nicht unwesentlich, eben aus den Erkenntnissen der Physik heraus, die - in den auftauchenden Beobachtungen über Elektrizität, Magnetismus (siehe unter anderem J. W. Ritter's Versuche einer nunmehr wissenschaftlich-physikalisch-mythologischen Kosmogonie) - die Not der Deutung offengelegt hat. Zweihundert Jahre später, heute, stehen wir im Grunde in der Quantenphysik vor haargenau denselben Fragestellungen!

"Ich zog die Physik aber auch darum vor, weil hier die Berührung am sichtbarsten ist. Die Physik kann kein Experiment machen ohne Hypothese, jede Hypothese, auch die beschränkteste, wenn sie mit Konsequenz gedacht wird, führt zu Hypothesen über das Ganze, ruht eigentlich auf solche, wenn gleich ohne Bewußtsein dessen, der sie gebraucht." Sobald es der Physik, schreibt Schlegel, um allgemeine Resultate geht, und nicht nur um technische Zwecke, gerät sie, ohne es zu wissen, in Kosmogonie, in Astrologie, in Theosophie, und was auch immer, "kurz: in eine mystische Wissenschaft vom Ganzen."

Schlegel konvertierte schließlich übrigens zum Katholizismus.




*160310*