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Sonntag, 6. Juni 2010

Keine Gewißheiten

Es ist ein weitverbreiteter, nichts desto weniger falscher Glaube, daß das Wesen der Wissenschaft sei, Gewißheiten zu schaffen, oder solche zu erhöhen, schreibt Schopenhauer einmal. So wie es ein Irrtum sei zu meinen, Wahrheit gründe sich auf Beweisen. Wissenschaft könne nur den Zugang zu Wissen erhöhen oder erleichtern, oder vervollständigen.

Vielmehr sei es umgekehrt, und jeder Beweis benötige eine (unbewiesene) Wahrheit, die ihn stützt. Solche Wahrheiten aus Anschauungen seien in der Wissenschaft wie die Sonne, von der alles Licht ausgehe.

Nur der könne die Wissenschaft weiterbringen, dessen Urteilskraft ausgebildet sei, und kraft derer sei das anschaulich Einzelne in abstraktes Bewußtsein zu übertragen, sodaß das Einzelne (bzw. das Gemeinsame) im Allgemeinen gefaßt oder in den gewonnenen Begriffen unterscheidbar sei, um so zwischen Verstand und Vernunft zu vermitteln.

Sätze aus Sätzen zu folgern könne, so Schopenhauer, jeder der gesunden Verstand hat. Beweise aber seien eher für jene, die disputieren, als für jene, die erkennen wollten.

Schon aus diesem Grunde sei zu jedem Wissen ein direkter Zugang - außerhalb der Wissenschaften - in gleicher Weise möglich: Über die Anschauung. (Die freilich auch Schopenhauser nicht einfach empirisch-faktisch - also naiv die Täuschbarkeit und Relativität der Sinne übersehend - auffaßt, und welchen Hinweis man nicht ohngefähr NACH seinen Ausführungen über die Art und Weise findet, wie Urtheile zustandekommen - Sinne liefern keine Urteile, sondern bloße blinde Verstandesdaten.)



*060610*