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Mittwoch, 16. Juni 2010

Neulich in Knittelfeld (2)

2. Teil) Das Unglaubliche passiert, und der Unglaublichkeiten mehr


Während die Vereinsfunktionäre im Knittelfelder Gasthof Zur Post schon ausgelassen weil so erleichtert das "Unfaßbare" feierten, drang eine Hiobsbotschaft durch, die die Stimmung schlagartig verwandelte. 

Denn der SV Sankt Lorenzen / Knittelfeld, aus diesem benachbarten Kuhdorf, hatte den TUS Sankt Stefan/L. aus dem Lorenzener Birkenstadion (Bild) vor zweihundertfünfzig fanatisierten (Originalton Vizeobmann Weber, mit einem Beiklang, als wollte er den Österreichsichen Fußballbund mit einer Anfrage kontaktieren, ob sowas von fanatisiert überhaupt zulässig sei. denn da mußte es doch Grenzen geben?) Zuschauern mit noch unglaublicheren 30 : 1 (9 : 0) regelrecht aus dem Stadion geschossen. Dabei waren alleine in den letzten zehn Minuten der Spielzeit noch acht Tore gefallen. 

Bei nunmehr mit vierundsechzig Punkten hergestelltem Tabellengleichstand, aber mit 108 : 103 erzielten und 28 : 26 erhaltenen Toren einer um drei Tore besseren Tordifferenz hieß der Meister also schon wieder nicht Knittelfeld, sondern SV Lorenzen ...

Da blieb allen der Mund offen, und still wurde es in der Post. Der eine oder andere rief verstohlen "Zahlen!" Richtung Schank, andere grinsten selten blöd und zynisch, wieder andere schüttelten ungläubig den Kopf. "Das ist doch g'schobm," sagte schließlich der Leimlehner, der Baumeister von Dreiwiesenhofen, einem Vorort von Knittelfeld, dessen Sohn seit zwei Saisonen bei den Junioren mittrainierte, und dem Insider Talent wie seinerzeit dem Reinmayer nachsagen, der ja auch aus der Gegend stammt, und den man sogar in der Champions-League erleben hatte dürfen.

Minutenlang sagte aber sonst niemand ein Wort. "Na wenn des ned g'schobm woa," meinte schließlich dann der Lechner Kurt, und sah sich unsicher unter seinen Sitznachbarn um. "A so a g'schobene Partie!"
Der Tauber Heinz leerte sein Glas, drehte sich dann zur mittlerweile mit dem Geldtascherl herumlaufenden Veronika und deutete, daß auch er gleich gehen wolle.
"A so a Schaas," wurde von irgendjemandem gezischt.
"Trotzdem sollt'n ma nicht vergessen, daß hier Großartiges für die Jugend geleistet wurde und weiterhin geleistet werden wird," meinte nun der Oberstudienrat Lechner das Ruder der Stimmung herumreißen zu können.
Aber niemand apportierte das Stöckchen.
Wenn nur nicht der Schupfer Edi so blöd gegrinst hätte! Und seine Bemerkung war völlig unpassend, mit der auch er nun die Stimmung aufzulockern gedachte: "Tja, im Fußball muß man eben mit allem rechnen. Der Ball ist rund. Sowas is' Schicksal!" 
Dem Weber stieg die Galle hoch. Er mußte gehen. Außerdem wartete sowieso seine Lebensgefährtin, sie wollten ja noch in diese Pizzeria in der Nähe von Kleinwiesen fahren. In der Stimmung, in der er jetzt war, hätte er aber gleich am liebsten alles hingeschmissen. Was ging ihn denn eigentlich dieser Verein an!? Als ob er nicht so schon genug Ärger hätte.
"Du hast alles getan, wirklich alles, was möglich war" beugte sich nun der Oberstudienrat mit raunender Stimme zu ihm hin. "Du hast Dir nichts vorzuwerfen, glaub mir! Jeder Verein kann sich alle Zehne abschlecken, der so einen Präsidenten hat wie Dich!"
"Jaja," nickte nun auch der Krieger Ernst, während er sich lärmend erhob, und schon im Hinausgehen seufzte er: "Geld spielt halt nicht Fußball - is's net so? Wann die am Platz alles vergeig'n, was kannst da noch mach'n?"

Aber den nahm sowieso keiner ernst, der hatte ja nie von nichts eine Ahnung.

Nachtrag vom 15./16. Juni 2010: Der steirische Fußballverband hat alle vier an obigen Vorgängen beteiligte Vereine bestraft, und die Spiele annulliert. Der Drittplatzierte, der SV Gaal, wurde zum Meister erklärt. So schrieb es der KURIER - wie immer mit Wissen aus geheimster Quelle gespeist, in dem der Welt recht gerne das Gesollte aufgenaselt wird, ich mein, eine Zeitung hat schon Verantwortung, und dieser muß sie sich gerecht machen - noch in der Abendausgabe. Und lieferte damit der Posse zweiten Akt.

DENN - die Kleine Zeitung berichtet in ihrer (späteren) Abendausgabe: Das stimmt nicht! Stattdessen war eine Vernehmung der Parteien durch Funktionäre des Steirischen Fußballbundes gerade im Gange, als die Nachricht hereinplatzte, der KURIER habe bereits den Ausgang des Verfahrens bekanntgegeben ... Daraufhin wurde die Einvernahme unterbrochen.

Noch ein Detail wurde bekannt. Wir bringen es, weil es dieses berühmte Anwehen von Schicksal spüren läßt: Ein Detail vom Spielverlauf in Sankt Lorenzen. Der SV Sankt Lorenzen hatte bis zur 88. Minute 19:1 geführt. Wer hätte da den Meisterpokal nicht schon in der Vitrine des Vereinsheimes gesehen? Da erlitt der Torwart des Gegners, des TUS Sankt Stephan, einen Hitzeschlag. Der Schiedsrichter ließ das Spiel für rund zehn Minuten unterbrechen, um den Bedauernswerten zu laben. 

Exakt in diesen zehn Minuten endete aber das Spiel des FC Knittelfeld, mit bekanntem Ergebnis: 21:0. Die Nachricht schlug bei Spielern und Funktionären von St. Lorenzen aber nicht nur wie eine Bombe ein ("Deis is g'schoum," waren sich alle einig, "na woun deis ned gschoum is?!"), sondern sie weckte offenbar schlummernde Energien. Denn als das Spiel nach erfolgter Labepause wieder aufgenommen wurde, bot der SV Sankt Lorenzen (mit den nun noch mehr fanatisierten Zuschauern im Rücken, Sie erinnern sich) noch einmal alle Kräfte auf. Und im Minutentakt wurden die zur Meisterschaft nun noch benötigten Tore geschossen. Und ein paar mehr. Damit niemand Schiebung vermuten könnte.

Sämtliche Funktionäre übrigens betonen, daß nicht geschoben worden - "Mia houm jou goa kaeinn Göuld, das ma schiam käinadn!" - sondern alles mit rechten Dingen zugegangen war. "Zweistellige Zu null-"Ergebnisse seien außerdem in dieser Liga durchaus üblich.



Die Kleine Zeitung schreibt am 16. Juni:
Die Stimmung in der Region ist unterdessen gekippt. Der Hauptsponsor des Sankt Lorenzen (!) hat dem Verein den Rücken gekehrt. Kinder von Funktionären wurden derart beschimpft, daß die Eltern sie nicht mehr in die Schule gehen ließen. Droh-E-Mails auf tiefstem Niveau langten bei den Klubs ein, ein Spieler wurde im Supermarkt sogar angespuckt.

Übrigens: Eine neue, geheime Hoffnung ist mittlerweile aufgekeimt, aber kaum jemand spricht noch darüber. Weil ja doch alle so vernünftig sind, werden in der Steiermark durch Gemeindezusammenlegungen viele viele Verwaltungskosten gespart, und wenn schon das nicht, wird die Verwaltung effizienter. Also so ungefähr. So ist zumindest das Konzept*. Aber damit Knittelfeld heißer Anwärter, als Zentrum einer neuen "Großstadt" mit seiner Umgebung zu verschmelzen. Aber dann, dann wird man wohl ganz gewiß Meister. 

In Zeitung und Fernsehen war man ja mittlerweile schon mal gekommen. Und in Blogs.



*Wir wissen mittlerweile, daß sich wie bei allen vernünftigen Ideen einer Zentralregierung weder das eine noch das andere erfüllt hat. Aber wo steht geschrieben, daß eine gute Idee keine gute Idee mehr ist, nur weil sie nicht funktioniert? Eben. In keinen Zeitungen. Und in keinem Blog. Fast.


*160610*