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Sonntag, 20. Juni 2010

Neulich, in Spanien

Ein mexikanischer Stiefkämpfer soll nach dem ersten Sichtkontakt mit dem Stier in der Arena über die Absperrung gesprungen, und auf und davon gelaufen sein. Er suche sich nun, so die Presse, einen anderen Beruf. Wohl auch, um die Schadenersatzforderungen des Veranstalters befriedigen zu können.

Aber das erinnert an einen anderen Fall, der sich in Spanien abgespielt haben soll...

In der spanischen Murcia gibt es einen kleinen Ort, Lastrancia des Namens, und in eben jenem findet jährlich eine einzige derartige Veranstaltung statt, angelegentlich welcher, nach jahrtausendealtem Brauche, berühmt kampfelustige Jungstiere der Gegend dem Gotte als Opfer dargebracht werden sollen - in Form im Mittelmeerraume so beliebten Stierkämpfe. Zur besonderen Delikatesse gibt es jedes Jahr, im Anschluß an die dreitägigen Festivitäten, die Hoden des Unterlegenen, Armen, und das seit Generationen in immer demselben Restaurant, dem "Canavalle" - delikat und nach Geheimrezept zubereitet, aufregend serviert - eine Besonderheit, zu der sich Touristen aus aller Welt Jahre im Voraus anmelden, und welche die New York Times auf ihren berühmten Gastro-Seiten folgendermaßen kommentierte: Welcher Mann gelebt haben will, der muß das erlebt haben!

So sollte es also auch in diesem Jahr das berühmte "Hoden-Essen" geben. Der amerikanische Millionär Anthony Farrell, ein nicht unbedeutender Ölmagnat, der das Rennen um den betreffenden Schmaus durch etwas höhere Zahlungen gemacht hatte, als dem Anlaß nach Meinung anderer Bewerber vielleicht entsprach, war so ein Mann, der gelebt haben wollte. Und so kam er, mit seiner Angetrauten zur Zeugenschaft, nahm theatralisch Platz, und harrte heiter und frohen Mutes der kommenden Dinge. Der Koch betrat, kaum hatte der Mittfünfziger aus Chicago seinen Platz eingenommen und die obligaten Getränke geordert und erhalten, unter laut-hellem Trompetenklang den Gastraum, balancierte dabei gekonnt und elegant das schwere silberne Tablett, hielt spektakulär vor dem Gast, stellte sich in Pose, um in unendlicher Grandezza sein Werk zu präsentieren.

Der Amerikaner konnte es nicht mehr erwarten, und riß mehr als er hob die silberne Abdeckung vom Tableau,  und wollte, während er unter banausischer Verletzung jeglicher Etikette die Serviette in seinen Kragen stopfte, mit geschwungener Gabel sofort mit dem Verzehr seiner teuer erstandenen Ware beginnen - da stutzte er.

Señor, meinte er nach einer Minute schweigenden Nachdenkens: Sind die Hoden nicht ein wenig ... also ... 
Der Koch neigte sich zu ihm, spielte mit seinem Bärtchen, und nahm ihm dann das Wort aus dem Mund: ... klein?

Ja, genau, meinte nun Farrell, und lächelte seiner desinteressiert an einem Cocktail nippenden Gattin zu. Klein, das trifft es, nicht wahr Darling? Ich dachte immer, ein Stier hätte viel ... also ...
Seine Gattin kicherte nun affektiert und unanständig.
Größere Hoden? Der Koch flüsterte fast.
Ja, genau, das trifft es. Viel größere Hoden, dachte ich?

Señor, meinte nun der Koch, weiterhin mit höchster Diskretion, und dennoch richtete er sich wieder auf, und nahm nun Haltung an: Nicht immer verliert der STIER!




*200610*