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Montag, 12. Juli 2010

Unwahre Gedankenrichtigkeit

Am Vormittag erzählte mir N, daß er eigentlich sein Facebook-Konto löschen wollte. Aber dann habe er entdeckt, daß es die einzige Möglichkeit sei, mit Leuten, mit denen er eigentlich zwar keinen Kontakt mehr habe, doch noch, in Jahren, vielleicht Kontakt aufzunehmen, Facebook sei also so eine Art Warmhalteplatte für Kontakte, die im Augenblick tot seien.

Da fiel mir ein Humorvideo ein, das damit spielte, daß die Sicherheitsfrage "Sind sie sicher?" im Netz wieder und wieder gestellt wurde - "Sind Sie wirklich sicher?" - "Sind Sie wirklich wirklich sicher?" - "Sind Sie ganz sicher, daß Sie sicher sind?" - "Wissen Sie, was das für Konsequenzen hat, wissen Sie, was Sie gerade im Begriff sind zu tun?" Und dann, wenn man seinem Entschluß dennoch treu blieb, taucht noch ein Fenster auf, das darauf hinweist, daß und wie man die Entscheidung auch wieder rückgängig machen könne.

Erhart Kästner meint es wohl genauso, wenn er schreibt, daß Dinge, die keine Mühe kosten, aufhören, zu existieren. Entscheidungen verlangen Mühe, und zu warten, bis die Evidenz so stark ist, daß sie die Dinge "fallen" läßt, ist nicht leben, ist nicht gestalten - in dieser krankhaften Sucht nach Gewißheit und Beweis wollen wir uns die Mühe der Verantwortung ersparen. Und damit die Mühe, Leben zu gestalten. Es soll sich eben selber gestalten.

Nur: dann hört es auf. Leben IST Gestaltergreifung durch Individuen. Es gibt sie nicht, die totale Gewißheit, die einem die Entscheidung abnimmt, weil man nur noch dem Offensichtlichsten zustimmen muß - es gibt sie nicht! Weil es keine ortlosen Gedanken gibt, wie Kästner weiter meint. "Es gibt keine landlose Wahrheit." Sie läßt sich nicht durch hergestellte Gedanken ersetzen, die Erkennen zu einem Baukastenspiel der Logik machen. 


*120710*