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Donnerstag, 19. August 2010

Da flieht Gott

"Der griechische Geist kann den Menschen ohne die Gottheit gar nicht denken. Er kennt keine Notwendigkeiten im Menschen, die nicht zugleich vom Sein der Götter zeugten. Wo aber der Mensch sich seiner selbst als einer Person mit eigener Notwendigkeit bewußt wird, da hat sich auch schon das Göttliche in bedrohliche Fernen und Höhen zurückgezogen. 

Und nun kommt es zu dem Widerstand und Kampf so vieler selbstbewußter Geister, der für den oberflächlichen Blick nur durch den Zwang des kirchlichen Dogmas hervorgerufen wird. Die großen Widersacher, die gefallenen Engel und ihr Fürst, der Satan, werden zu tragischen Gestalten und erregen ein Mitgefühl, das in der griechischen Welt undenkbar wäre. 

Und der griechische Prometheus, ein Gott der Vorzeit, der sich dem neuen Göttergeschlechte nicht beugen wollte, wandelt sich in ein Symbol der Menschen, der gegen Gott protestiert."

Walter F. Otto in "Der Dichter und die Alten Götter"

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Goethe wußte von den ewigen Mächten, die zu fürchten sind, wenn sich der Mensch gegen sie stellt, wo er ihr Wort also, das in den Notwendigkeiten (oder auch: Gesetzen) wie sie die Natur uns erzählt, die dadurch Gott darstellt (wenn, freilich nicht ontologisch gesehen IST!), zurückweist. 

Er läßt Iphigenie einmal voller Schaudern sagen:

O daß in meinem Busen nicht zuletzt
Ein Widerwille keime! Der Titanen,
der alten Götter tiefer Haß auf euch,
Olympier, nicht auch die zarte Brust
mit Geierklauen fasse! Rettet mich,
Und rettet euer Bild in meiner Seele!



*190810*