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Sonntag, 1. August 2010

Leben ist kein Glücksweg

Wieviel Übel geht doch heute davon aus, daß die Menschen erwarten, daß sie im Leben glücklich zu sein hätten. Wieviel Übel geht von dem Irrtum aus, daß Leben nur dann geglückt sei, wenn es auch glücklich verliefe! Selbst das Christentum (im Calvinismus sogar explizit) verfällt in diesen Unsinn, Gottgefälligkeit daraus zu folgern, ob jemandes Leben "bilderbuchartig" (denn solcherart kann Glück nur heißen, einem Vorbild und Wunschtraum zu genügen) verläuft oder nicht.

Aus der Schopenhauerschen Haltung zu dem Thema kann man zwar nicht die "richtige" Haltung dazu ableiten, aber rein lebenspraktisch ist sie nicht unklug: Schopenhauer meint, daß Lebensglück sogar der eigentlichen Lebenserfüllung (die bei ihm in der Nichtung, in der Lebensverneinung liegt) entgegensteht. Nur das Leiden (und die Askese des totalen Verzichtes) sei der Weg zu dieser Lebensvernichtung, die des Menschen höchstes Ziel sei.

Das ist zwar nicht schicksalshaft in jedermanns Leben eingeschrieben, aber es trifft rein nach Wahrscheinlichkeitsgesetzen gerechnet zu. Mit den Umwälzungen im 17. Jahrhundert vor allem brach aber diese fatale Erwartungshaltung aus, machte sich breit, und fächerte sich zur Forderung nach dem Paradies auf Erden aus. Und heute finden sich die Menschen, vor allem jene, die die Schicksalshaftigkeit dieses gewaltigen Apparates "Leben" noch nicht kennen, also die jungen Menschen vor allem, mittlerweile bereits zwei Generationen, sogar soweit, ein Recht auf Glück zu proklamieren. Dessen Erfüllung sie von der Welt zu fordern haben. So wachsen sie auf, so leben sie. Sie haben ein Anrecht auf Glück. Wenn das nicht eintritt, ist die Welt schuld.

So erklären sich diese Gesichter der Enttäuschtheit, wie sie so oft, sogar noch bei bereits älteren Menschen, auftreten. Und meist hat dies nur mit den zu hohen Erwartungen zu tun, die jene haben zu müssen meinten - nicht einmal mit der Realität ihres Lebens selbst. Denn häufig stellt man dann fest, daß gerade deren Leben verglichen mit Schicksalsschlägen anderer eigentlich problemlos verlief!

Welcher subjektive Druck lastet auf so vielen, deren Ehrgeiz alle Lebensfrucht übersehen und gar nie genießen läßt. Welcher Druck auf jenen, die meinen, das Leben müsse ein Paradies sein. Sie müssen Stunde um Stunde ihre innersten Gefühle rechtfertigen. Und können nie pausieren darin, Glückshindernisse aus dem Weg zu räumen. Was meist darein mündet, sich ohne Unterlaß zu ärgern und zu grämen, weil die Welt nicht und nicht perfekt wird.

Lebensgeglücktheit, aber auch Realität, liegt ganz woanders. Und das ist kein Konstruktionsfehler, sondern so ist die Welt.



*010810*