Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 21. September 2010

Hundertfünfzig Jahre tot

Heute vor hundertfünfzig Jahren ist Arthur Schopenhauer (1788 - 1860) gestorben. Sitzend, am Sofa, nach der Einnahme des Frühstückskaffees. Sein Gesicht war entspannt, er hat keinen Todeskampf geführt. Seiner Konzeption nach ist er in das ewig gleichbleibende, aus sich heraus, in sich zurückfließende Alleins zurückgeflossen, ausgelöscht als Ich, zurückgeflossen in den großen Allwillen, und damit erlöst, aus einem Moment, den Schopenhauer einmal als Erwachen, dann wieder als Todesschlaf beschreibt. In jedem Fall erlischt das Ich, löst sich ins Nichts auf.

Die NZZ schreibt dazu:

Der Sterbende werde dessen inne, dass die Welt, die er verlässt, und die individuelle Hülle, die ihm abgestreift wird, Täuschung und Schein, jedenfalls nicht die wirkliche Wirklichkeit gewesen seien. Schopenhauer verwebt platonische und kantische Schussfäden mit Kettfäden aus östlichen Weisheitslehren (samt Reinkarnationsgedanke) sowie der christlichen Mystik, um eine ebenso metaphysische wie «gottlose» Weltanschauung zu formulieren: Wahrlich wirklich, unvergänglich und ungeworden sei der grund- und sinnlose Wille zum Leben, der – als «Ding an sich» – alle und alles durchwalte und miteinander verbinde; in diesen grundlosen Grund der Welt sinke jedes Individuum mit dem Tod zurück. Das «Unzerstörbare» im Menschen wäre demnach keine Seele und schon gar keine je individuell einzigartige, es wäre aber auch keine Materie, sondern ein allgemeiner, subjekt- und bewusstloser Existenzdrang, eine geheimnisvoll wabernde Wesenheit mithin, die über allem, in allem und durch alles Leben hindurch herrscht.

Was Schopenhauer den Normalsterblichen als letzte Aufgabe aufbürdet, haben die – seltenen – Heiligen und Asketen schon in ihrem Leben geschafft: den Willen zu verneinen und die Herrschaft der steten Wiederkehr des Leidens zu brechen. Was die Heiligen und Asketen durch Übung erreichen können, sollen die gewöhnlich Sterbenden durch eine finale Erkenntnis gewissermaßen nachholen. Erst damit wäre das Erwachen aus dem Traum des Lebens kein schreckliches und das Entschlafen ein beruhigtes.

Zusatzlink: Sein Leben - aus: Frankfurter Rundschau



*210910*