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Sonntag, 12. September 2010

Je tiefer, desto mehr

Feuling verquickt an einer Stelle seiner "Metaphysik" den Begriff der "Schönheit" mit dem des "Gefallens": Schön, so schreibt er, erkennen wir das, das als vollkommen in seiner Ordnung, in Harmonie als es selbst - was zugleich eine Harmonie mit der ganzen Welt ist - steht.

Immerhin würde er durch diese Konzeption begründen, daß Schönheit in dem Maß erkannt wird, als das Erkenntnisvermögen des Menschen sich befindet. Denn zwar nicht finden alle Menschen anders schön, je nach Geschmack eben. Diese Vereinfachung ist unzulässig. Vielmehr wächst mit der Tiefe der Erkenntnis die Möglichkeit der Erkenntnis der Harmonie der Dinge in ihren immer tieferen, weiteren Bezügen!

Je mehr jemand also erkennt, vereinfacht formuliert, desto mehr kann er Schönheit entdecken. Sodaß dem vollkommen Wahren (gäbe es ihn unter den Menschen) die vollkommene Schönheit, und deren Genuß, blühte. Was das Wort "Paradies" aufdrängt: als der Ort, wo alles sich in seiner Ordnung hält.

Damit ist auch allem prinzipiell möglich, schön zu sein. So gesehen, wird auch die untrennbare Verbindung wie alles Einende des Schönen mit dem Wahren (Übereinstimmen des Verstandes mit dem Wahren des Erkenntnisobjekts) und dem Guten (als "Wohlsein" in den Bezügen) begreifbar: Letztere beide werden im Schönsein miterkannt, und das Schöne wird zugleich aus allem Ästhetisieren herausgehoben.

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"Schön ist das, was dem Erkennenden, rein dadurch, daß er sieht und hört und weiß, durch seine Objektivität und Ordnung Seinsvollkommenheit gewährt. Schönheit ist die Gutheit leicht offenbart, also sofern es dem Erkennen gut und fördernd ist. Schönheit ist die Wahrheit in dem Glanze ihrer Ordnung. Schönheit ist die Einheit in der Ordnung der Verschiedenheiten des Wahren und des Seienden, sofern das Seiende sich in seiner Wahrheit klar und leicht. [...] 

Aber Schönheit ist dies alles relativ zu dem, der es erkennt in seiner Mannigfaltigkeit und Einheit. Relativ, das heißt an dieser Stelle, transzendental bezogen auf den Erkennenden. [...] 

Schön ist alles, jedes, weil es dem Menschen, dem Subjekt gefällt; aber es gefällt durch seine objektive Gegenständlichkeit und Seinsheit. Schön ist alles, jedes, weil es dem Erkennenden, dem Menschen in der Weise wohlgeordneter Erkanntheit Sein und Leben und Vollendung spendet. 

Schönheit ist und wirkt und lebt in der lebendigen Gemeinschaft des Seienden mit dem Erkennenden, des Erkennenden mit dem Seienden und durch es. Schönheit ist durch den Zusammenschluß der höchsten Ordnungen des Seins. Sie ist die Frucht des Seins in seiner Fülle und in seiner Ordnung. Sie ist die Einheit in der Vielheit allen wahren guten Seins. Das ist die Schönheit."

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Gleichzeitig - und man sollte dies in aller Ruhe reflektieren, es hat so immense praktische Bedeutung, zumal heute - zeigt diese Zusammenführung des Guten und Wahren in der Schönheit, wie die scheinbar zu empfindende Schönheit ... im Verstand und im Urteil gründet.

Sodaß sich an dieser Stelle der Konnex zwischen Sittlichkeit und Schönheit - im Dasein wie im Erkennen(den) - endgültig schließt.

Und die Schönheit (als Transzendentalium) zur Klammeridee sui generis wird. Denn ohne diese Letztideen ist überhaupt Denken und Urteilen unmöglich ...  Es sei hier und vorerst nur angedeutet. Hier gründet die Sinnfrage - in praktisch entscheidender Auswirkung.

 
*120910*