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Samstag, 25. September 2010

Voranschreitende Sprachlosigkeit

Forscher der Northumbria University, Newcastle, England, haben (vorgestellt im Juli 2010 anläßlich der British Cognitive Linguistic Association Conference) bei einem Projekt über Sprachbeherrschung bei den Briten Erkenntnisse gewonnen, die noch schwerwiegende Auswirkungen haben könnten. Nicht zuletzt wurde die Sprachtheorie von Noam Chomsky widerlegt, die aber didaktischen Lernansätzen für viele Schulsysteme weltweit zugrunde liegt.

Chomsky meint, daß jedes Kind eine Art "Hardware" im Gehirn besitzt, die es - egal in welcher Sprache! - grammatikalische Grundkonstruktionen besitzen und anwenden läßt. Es gäbe so etwas wie eine "universale Sprachgrammatik". Chomsky schloß das unter anderem daraus, daß gewisse Sprech- und Verstehensmuster weltweit gleich seien. Das muß aber andere Ursachen haben, denn die breit angelegte Studie fand heraus, daß dies keineswegs überall zutrifft.

Vielmehr kam als schockierendes Ergebnis heraus, daß ein hoher Prozentsatz der Briten - ob jung, ob alt - bestimmte grammatische Grundkonstruktionen nicht versteht! Und zwar setzt dies bereits bei einfachsten Passivkonstruktionen an, wie: "Der Soldat wurde vom Matrosen geschlagen." Desgleichen bestehen Probleme im Verständnis von Abstrakta, wie "jeder".
The project assumed that every adult native speaker of English would be able to understand the meaning of the sentence: "The soldier was hit by the sailor."
Dr. Dabrowska and research student James Street then tested a range of adults, some of whom were postgraduate students, and others who had left school at the age of 16. All participants were asked to identify the meaning of a number of simple active and passive sentences, as well as sentences which contained the universal qualify "every."
Diese Ergebnisse waren praktisch über alle gesellschaftlichen Schichten gleich. Bisher war man davon ausgegangen, daß unter den Menschen ein gewisser Stock an sprachlichem Grundverständnis vorhanden sei. Dem ist offensichtlich nicht so. Und zwar unabhängig von der Intelligenz, aber stark abhängig von der Dauer schulischer Ausbildung und ... Herkunft.
As the test progressed, the two groups performed very differently. A high proportion of those who had left school at sixteen began to make mistakes. Some speakers were not able to perform any better than chance, scoring no better than if they had been guessing.
Unterwies man die Testpersonen, lernten sie meist rasch, mit solchen "komplexeren" Sprachkonstrukten umzugehen. Dr. Ewa Dabrowska, die Leiterin der Untersuchung, kam zu dem Schluß, daß diese Personen als Kinder nie darauf aufmerksam gemacht worden waren, auf ihre Sprache mehr zu achten. Aufmerksamkeitsdefizite scheinen ihr nämlich die wahrscheinlichste weil erhellendste Erklärung.

Diese Ergebnisse, so Dabrowska, legen aber weitreichende Überlegungen nahe: Wenn nämlich ein immer größer werdender Prozentsatz der Bevölkerung (in England) ein derart eingeschränktes Sprachverständnis hat, wird es nicht ausbleiben, die öffentliche Sprache, in Dokumenten, Medien etc., entsprechend anzupassen.

In jedem Fall aber muß man Chomsky widersprechen, denn es ist eindeutig NICHT so, daß jeder Mensch, egal in welcher Sprache, egal in welchem Dialekt, jedenfalls in seiner Muttersprache, eine weltweit gleiche grammatikalische Kernkompetenz automatisch, also angeboren hat. Vielmehr ist Sprache - und vor allem Denken, Verständnis! - weit mehr und weit tiefer als "zu entwickelnd" einzustufen, als bisher angenommen wurde.

Gefunden auf foundontheweb



*250910*