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Sonntag, 31. Oktober 2010

Das Ungesagte sprechen

Denken, schreibt Martin Heidegger einmal in "Sein und Zeit", bedeutet immer "den Anfang denken", über alle Begrifflichkeit hinaus das Sein selbst zu befragen. Dies kann nur in einem "Zurücktreten vor dem Sein" geschehen, sodaß man aus den historischen, zeitbedingen ontologischen Bedingungen heraustritt. Die, wenn sie sich "in sich" bewegen, unweigerlich Degeneration sind.

In unserem Sprechen zeigt sich dieses Sein nur indirekt - aber es zeigt sich, und wir sprechen von ihm. Es zeigt sich als das Verborgene, das die Zeichen nur als Hinweise benutzt. Das Sagen aber verbirgt genau das, was sich zeigt, es ist Vorhang auf der Bühne des Seins.

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Deshalb ist auch Philosophie nur fälschlicherweise als fortschreitender Denkprozeß verstanden, in deren Disput es bestenfalls um die Regeln der Logik geht, um Stein auf Stein aufeinanderzuschichten, in einem unentwegten Fortschrittsprozeß. Vielmehr muß Philosophie immer wieder dieses ursprüngliche Befragen des Seins bedeuten. Sie ist damit wesenhaft Aufgabe des "wissenschaftlichen Laien". Denn sie braucht die Unbedarftheit des Fragens und Sehens, um über alle Konstrukte der Begrifflichkeiten hinaus dem Sein noch begegnen zu können.

Das Ungedachte ich kein blinder Fleck, den es auszufüllen gilt (übrigens: so dachte Meister Eckhart), sondern es ist das Sein selbst, die Weise seiner Präsenz, das wesentlich Ungedachtes ist. Der Rang des Denkens eines Philosophen bestimmt sich daher aus dem Maß, in welchem das Ungesagte in seinem Gesagten noch präsent ist.
 
 
*311010*