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Donnerstag, 18. November 2010

In der Utopie lächerlich

Es überrascht eigentlich nicht wirklich, daß Ayn Rand in "Atlas shrugged" ausgerechnet dort völlig abstürzt, wo es darum geht, den Gegenentwurf zur zerstörten Welt zu bringen: im "Tal der Gegenwelt", in der sich alle jene finden, die der Welt dort draußen entflohen sind. Sie haben alle gestreikt, der Welt ihren Dienst aufgekündigt, weil sie allesamt als Sklaven mißbraucht wurden, von einer Nomenklatura, die die totale Macht nur deshalb an sich reißen konnte,  weil sie mit einer Niedrigkeit spielte, die den Anständigen fern bleibt, weil fern bleiben muß.

Oder ist es nicht lächerlich, wenn in ehemaliger Fluglinienbesitzer nun Gemüse im Vorgarten züchtet, und angeblich glücklich wie nie ist, und zwar nicht, weil er nun Zeit und Ruhe für anders hat, nein: weil er eine Methode fand, aus seinen paar Glashäusern durch findige Ideen ein Drittel mehr Zucchini herausgeholt zu haben, als jeder Gemüsebauer "draußen"? Weil doch keine Arbeit schlecht ist - sie nur schlecht getan werden kann? Während der Lastwagenfahrer als Ausnahme einmal kein Universitätsprofessor oder ehemaliger Industriekapitän ist, der nun glücklich Straßen mit einer neuen Teermischung ausflickt, sondern tatsächlich ein Lastwagenfahrer war, der aber mehr aus seinem Leben machen will, vielleicht studieren ... ? Da wird die mit Sicherheit ungewöhnlich gescheite Rand regelrecht ärgerlich dumm, und man kann sie riechen, die Amerikaner, die ja alles und jedes zur plumpen, dummen Missionsidee ausformen, mit der sie die Welt retten wollen. Genau daran scheint Rand in dieser Passage ihres Werkes zu scheitern.

Da wirkt sie wie gelähmt, weil sie etwas versucht, das nicht funktioniert, und ohne es zu wollen exakt den Finger auf die wirkliche Problematik gelegt hat: das Leben ist nämlich im Guten nicht deshalb bestimmbar, weil es im Schlechten analysierbar wird. Die Alternative zum Schlechten ist nicht die neue Utopie, als Gegenentwurf zu den Linken, sondern das Aufhören des Schlechten, das in "Restquanten" immer nur zu ertragen bleibt. Mehr geht nicht, will man dem Menschen nicht genau das nehmen, worum es eigentlich geht: seine Würde, seine Freiheit.

Jedes Festmachen einer Vision in einer Utopie muß scheitern und lächerlich werden, und es gibt in der Kirche, in der Bibel, nicht eine einzige, wirkliche Beschreibung des Lebens im Paradies. Da wird das Schlaraffenland zum Tollhaus, weil täglich gebratene Hähnchen keine wirkliche Vision sind, sondern dem Satten Brechreiz erregen. Weil Leben nicht in Einzelphänomenen festmachbar, sondern ein täglich fließender Prozeß eines nie fixierbaren Zueinander ist. Ja, genau das ist eben Leben und Freiheit. Es ist auch nicht, wie Rand als eines der vielen unbeholfenen, ja lächerlich wirkenden Beispiele ernsthaft als Alternative anführt, das Zahlen in Goldmünzen, statt in einer wertlosen Papierwährung. Auch der Wert des Goldes ist nicht absolut, sondern in seiner Analogie zu suchen, die eine menschlich religiöse Haltung verlangt, weil in ihr gründet - nicht in einem absoluten Materialwert. Der ist auch bei Gold nicht rational faßbar.

(Jeder Versuch, Gold in seinem Wert utilitaristisch zu erklären, scheitert ja - Seltenheit? Schönheit? Verarbeitbarkeit? Umgekehrt ist keine Alternative schaffbar, nicht mit Platin, oder Lacthinoide, oder Actinium, oder wie alle sonstigen seltenen Metalle heißen, die in Wahrheit - bei wirklichen Zusammenbrüchen pflegen auch z. B. Handys nutzlos zu werden - eben nur relativ sind.)

Spätestens, als sie über die Schauspieler berichtete, die kein Engagement mehr erhielten, weil sie nicht von der Schlechtigkeit der Menschen berichten, sondern das Schöne, Bleibende an der Welt zeigen, zumindest suchen, den Glauben an jedermanns Bestimmung wachrufen wollten, unterbrach ich die Lektüre für einige Tage.

Das Richtige läßt sich nicht sagen. Es ist das, was übrigbleibt, wenn alles Falsche entfernt wird. Nur das läßt sich exakt erkennen, erfassen. Entscheidend ist ob jemand darauf vertrauen kann, daß dann tatsächlich nicht nur etwas bleibt, sondern daß dann das entscheidende Gute bleibt und Gestalt hat.

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