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Samstag, 19. März 2011

Ästhetisierung des Leids

Eine der erschütterndsten Meldungen, die in diesen Tagen zu lesen war, kam von Rückreisenden aus Japan, die am Flughafen Schwechat eintrafen, und dort von Reportern interviewt wurden, wie es denn in Japan so sei. Schrecklich, meinte da eine Frau. Es gehe dort zu "wie in einem Katastrophenfilm."

Ästhetisierung, Virtualisierung des Leids, das keine Wirklichkeit, kein Mitleiden mehr kennt. Dessen Bekämpfung die Betätigung von Videotasten und Joysticks bedeutet, das Eintippen nichtssagender Zahlen am Konto, die man Spende nennt. Folge einer "Teilhabe" via Medien, die gar keine Teilhabe ist, sondern eine dramatisch - und vor allem: durch den Journalismus dramaturgisch gebrauchte, und erst dadurch, aber auf neue (und: Japan entwürdigende) Art dramatische! - Folge von Bildern, von Hollywood-Katastrophenbildern nicht unterscheidbar.

Es gibt Dinge, über die berichtet man nicht, weil sie für uns keine direkte Relevanz haben, sondern wo jeder "News-Ticker" zur beschämenden Gier voyeuristischer, gelangweilter Medien-Kids wird.

Es gibt Dinge, von denen kann man nur erzählen, um ihnen gerecht zu werden. Was nur nachträglich geht, und wo eine Gewichtung der Details möglich wird, weil der Ausgang die wirkliche Intention der Ereignisse sowie deren wirkliche Dimension kundtut. Nur die Kamera draufhalten, nur den Quasselhahn aufdrehen, nur wie ein Tourist ins Land reisen und koste es was wolle Bilder einzufangen macht keinen Journalismus.

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Manche Fremdenverkehrsprospekte über Österreich bewerben das Waldviertel mit dem Text, es sehe dort aus "wie in Kanada", und über die Ötscher-Urwälder (oder war es das Almtal?) las ich in der Presse, daß es dort aussehe "wie in Skandinavien". Das waren beschreibende Texte, nicht eben auch mögliche Parallelen, von Leuten, die noch nie in Kanada oder Skandinavien gewesen waren, das also gar nicht als Bezug kennen konnten. Sie kannten es ganz sicher nur - aus Filmen. Aus Prospekten. Aus Dokumentationen. Und es war auch nicht in einem Sinn geschrieben, wie man sagt: "Pfeif auf Kanada, aufs Fernweh, hier ist es doch so schön!" Es war in einem Sinn gemeint, als hätte ihr Erlebnis erst jetzt Wert.

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Gesehen bei comicallyvintage


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