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Mittwoch, 29. Juni 2011

Warum der Euro eingeführt wurde

Als zumindest fragwürdig bezeichnet die FAZ in einem Beitrag die Behauptung, daß der Euro die große Erfolgsgeschichte Europas, vor allem aber Deutschlands sei. Die Fakten sprächen nämlich eine andere Sprache, sodaß sich die Aussage, Deutschland (und, mit Verlaub, Österreich darf da in einem Zug genannt werden) bräuchte unbedingt die gemeinsame Währung, nicht begründen läßt.

Zwar bleibt unbestritten, daß der Euro binnen kurzem zur zweiten Weltleitwährung wurde, was sich vor allem im asiatischen Raum entscheidend ausgewirkt hat. Wobei der Schweizer Franken die Frage stellt, ob ähnliches nicht auch der D-Mark zugeflogen wäre. Genau das aber wollten so manche deutsche Interessensgruppierungen nicht. Und, wie sich herausstellt, auch auf Kosten von "Kollateralschäden", als die man die Staatspleiten in Europa fast bezeichnen muß. Denn die Vorteile, die die starken Länder lukrierten, stammen aus diesem Titel: Zur D-Mark betrachtet verhältnismäßige Schwächung der Währung, um leichter exportieren zu können. Nach Asien, nach Rußland. Nach innen aber war es eine Überforderung für viele schwache Teilnehmer, die sich vom Scheingeld blenden ließen. Aber auch für die starken Länder bleiben, sieht man genau hin, jede Menge Nachteile:

Schon ein oberflächlicher Blick in die Wachstumsstatistiken von Eurostat muss skeptisch stimmen. In den zwölf Jahren seit Einführung des Euro hat Deutschland mit das niedrigste durchschnittliche Wachstum gehabt. Es lag – trotz des jüngsten kräftigen Aufschwungs – mit 1,2 Prozent signifikant unter dem Durchschnitt des Währungsraums (1,5 Prozent) oder der gesamten EU (1,7 Prozent). 

Auch gemessen am Jahrzehnt vor der Euro-Einführung hat sich das Wachstum in Deutschland nicht beschleunigt. Die europäischen Länder wie Schweden, Großbritannien und die Schweiz, die nicht am Euro teilnehmen, hatten höheres Wachstum als Deutschland; nur Dänemark wuchs noch langsamer, im Euroraum war Italien das Schlusslicht. Die höchsten Wachstumsraten im Euroraum hatten bezeichnenderweise die Peripherieländer: Irland wuchs im Durchschnitt der Jahre 1999 bis 2010 fast um 4 Prozent im Jahr selbst unter Einbeziehung der jüngsten Rezession, Griechenland um 2,7 Prozent und Spanien um 2,6 Prozent. [Kein Zufall: jene Länder, deren Volkswirtschaften durch Geld aufgepumpt wurden, und nun platzten; Anm.: „Wegen der Zinskonvergenz haben sich Spanier, Portugiesen, Griechen und andere billig verschulden können“, sagt Hans-Werner Sinn, der Präsident des Ifo-Instituts. „Das Kapital floss an die Peripherie und löste dort einen Boom aus. Es kam zu einer Überhitzung mit viel zu stark steigenden Löhnen und einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.“]

Und dann macht die FAZ noch eine Bemerkung, deretwegen man in Österreich freilich immer noch gesteinigt und mit den üblichen Beschimpfungen und Anzweifelungen der Fähigkeit, die Vernunft zu gebrauchen, aus dem Verkehr gezogen wird. Genau so stand es übrigens schon an dieser Stelle zu lesen, wir nehmen die Aussage der FAZ deshalb mit Genugtuung zur Kenntnis:

Gerken warnt aber davor, Exportüberschüsse als Selbstzweck zu sehen. „Die deutschen Exporte wurden zum Teil durch deutsche Kredite finanziert.“ Nun zeige sich aber, dass nicht alle Länder die Kredite zurückzahlen können, kritisiert er. „Daraus folgt, dass Deutschland seine Exportgüter verschenkt hat. Die Rechnung wird gegenwärtig dem deutschen Steuerzahler gestellt.“
Noch einmal, zum Mitschreiben: Wenn man davon spricht, daß seit der Einführung des Euro Deutschland mehr Exportvolumen in den Euro-Raum abwickelt, so hat das vor allem mit der wiedergewonnenen Wettbewerbsfähigkeit zu tun - und die stammt von den maßvollen Lohnabschlüssen. Sprich: Das Lohnniveau in Deutschland sank in diesem Zeitraum. (Die Reallöhne in Österreich übrigens, und damit der nominelle Wohlstand, auch.) Das aber hat sich vor allem in den Exporten in den Asien-Raum ausgewirkt, deren Anteil an den deutschen Gesamtexporten kräftig stieg. Die Exporterfolge wurden also durch Wohlstandsverlust (oder -verzicht) im eigenen Land erkauft.

Noch eine gravierende Folge aber hatte der Euro in seiner Exportdimension: Er hat sich auf die Wirtschaftsstruktur im eigenen Land ausgewirkt. Angesichts fallender Kaufkraft im Inland, angesichts der Bedeutung des Preisarguments (das Hauptargument für die Einführung des Euro!) nämlich verlagerte sich die "Innovationskraft" auf innovative Preisminderungstaktiken - anstatt auf innovative, qualitativ hochwertige Produkte, der Deutschland bis dorthin seine Erfolge zu verdanken hatte. Trotz einer enorm starken D-Mark, die den Export erschwert hatte. Der Ruf nach einer schwächeren Währung also - und das ist der Euro im Vergleich mit der D-Mark - hat also die Produktionsstrukturen im Land verändert: weg von der Qualität, hin zu Preisaspekten.

Und das zusätzlich gewonnene Umsatzvolumen im Euro-Raum? Das wurde sowieso vorwiegend durch deutsche Kredite finanziert, diese Wachstumsimpulse sind also selbstinduziert gewesen, wie sich nun herausstellt. Weil genau diese Länder nun diese Kredite nicht mehr zurückzahlen können, zahlt Deutschland sich die Exporte mit eigenem Steuergeld selbst - DAS sind die Griechenlandgelder etc. Mit diesem Geld wurde der Wohlstand im Euro-Raum künstlich hochgedrückt, aber er ließ die Länder kollabieren. Geld verdirbt eben den Charakter ...

Dazu zeigt die FAZ eine bemerkenswerte Graphik: Sie zeigt, wie es aussah MIT dem Euro, und wie es OHNE den Euro ausgesehen hätte. Freilich eine Hochrechnung von "Experten", das soll einschränkend dazugesagt werden. Das Ergebnis ist nämlich überraschend. Für die großen Propagandisten des Euro sogar peinlich. Da stellt sich nämlich heraus, daß es vor allem jenen Ländern* - Deutschland, Österreich - die wirtschaftlich im Verhältnis immer noch gut dastehen, OHNE Euro deutlich besser gegangen wäre. 

Und damit stimmt die Rechnung für jene wieder, die schon an der Richtigkeit des kleinen 1x1 gezweifelt und die Einführung des Euro immer schon kritisiert hatten, wozu auch der Verfasser dieser Zeilen zählt. Denn wie anders hätte es kommen können - als daß sich die EU zu einer Transferregion entwickelt, von viel zu wenig. Bis alle nichts haben. Das war ja das ursprüngliche Argument. Man kann nämlich Wohlstand nicht einfach "erzeugen". Der muß immer durch das Leben, durch die eigene Arbeitswirklichkeit gedeckt sein. Sonst fällt er zusammen wie ein Germkuchen.




Der Euro hatte also zwar gesamtwirtschaflich betrachtet Vorteile, aber er hatte sie nur für bestimmte Wirtschaftsformen und -gruppen. Insgesamt gesehen hatte er deutliche und sehr reale Nachteile, und die sind sogar höher zu veranschlagen als die Vorteile. Konsequenzen aus dieser Erkenntnis sollten also zumindest Bestandteil der politischen Debatte sein können.

Denn das, was sich seit Jahren in dräuenden Staatspleiten abzeichnet, beweist, daß der vorgebliche Vorteil eines Euro für Gesamteuropa - das MIT Euro ein höheres BIP-Wachstum aufweist, als es ohne ihn gewesen wäre - reine Selbsttäuschung gewesen ist. Mit Geld wurden Wirtschaftsvolumina aufgeblasen, die nun nach und nach wieder einfallen, weil sie durch die reale Situation in den Länder nicht gedeckt sind, bzw. immer gedeckt werden müssen. Man muß kein Prophet sein, um zu sehen, daß z. B. Länder wie Slowenien (bei aller angebrachten Wertschätzung deren Tüchtigkeit), die vorerst durch den Euro "profitiert" haben, die Folgen der weihnachtlichen Geldvermehrung in einer kräftigen Wertberichtigung nach unten wieder ausschwitzen werden müssen. Während man im Grunde Länder wie Kroatien warnen müßte, weil der erhoffte Wachstumssegen durch EU-Gelder eine Zeitbombe ist.


*Für die Ausnahmen wie Portugal gibt es spezifische Gründe: bei dem Land muß man ja fast sagen, daß´es durch den Euro ruiniert wurde, weil die "mangelhafte Wettbewerbsfähigkeit" die heimische Produktion ausradierte.
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