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Samstag, 6. August 2011

Eine Generation der Rambos

Das Einzige, was ich wirklich an Allgemeinem über den norwegischen Attentäter meine sagen zu können, ist, daß er etwas erfüllt, das doch jahrzehntelang amerikanische Actionfilme verkündet und als individuelles Charakterziel erstrebbar gemacht haben: Ein stinknormaler Mensch sieht sich im Aufruf, die ganze Welt zu retten. Ob in "Independence Day" oder als "Rambo" - es sind überall die Einzelgänger, die zurückgezogenen Genies, die einen inneren Auftrag haben. Den sie noch kräftig mit PC-Spielen ("World of Warcraft") auf Touren bringen.

Ja was erwarten wir denn? Da wird es Jahrzehnte als Idol dargestellt, wächst eine ganze Generation mit diesen idolen bereits auf, die von Propaganda so weit weg sind wie Oslo von Norwegen, und dann wundert sich jemand, daß auch solche Menschentypen heranwachsen?

Anders Behrens Breivik, 32 - "Er schrie und jubelte, während er schoß."
DIESE Geisteshaltung findet sich noch dazu tatsächlich überall, ob links, ob rechts - die Grünen sind ja eine regelrechte Bewegung des individuellen Weltrettungsbewußtseins!

Die Richtung ist gleichgültig, weltanschaulich ist auch der Norweger keineswegs zuordenbar. Kant paßt zu "Rambo" wie die Faust aufs Auge, sieht das niemand? Wenn man sein Manifest überfliegt - wer liest schon 1500 Seiten Zusammenkopiertes; Breiwik zitiert z. B. deutsche Autoren, obwohl er gar nicht Deutsch kann - fällt vor allem dieses Durcheinander auf.

Christlich (wenn schon: protestantisch, überhaupt eine Erwähltheitsreligion, die auszog, den Katholizismus zu retten; aber Breiwik bezeichnet sich selbst als "ungläubig"!). Freimaurer (die sowieso die Welt, mit dem Verstand, retten). Muttersöhnchen. Dem der Vater fehlt, und damit die Ausgewogenheit der Selbsteinschätzung - wahrscheinlich im erhabenen Urteil über den Vater die Welt rettet, der einem sonst ja seinen Platz zuweisen sollte, wäre da nicht die Mutter, die linke Gesellschaft, der Liberalismus, der Sozialstaat ... Norwegen ist sogar extreme Wege der Formlöschung begangen, was eine Entwirklichung anzeigt, die jeden Realitätsdruck, und damit jede Identitätsbildung, vermissen läßt. Norwegen braucht niemanden mehr! Auch keinen Gott. Denn Norwegen hat Öl. Das Land hat gigantische Geldtöpfe angelegt, die für alle Generationen der Zukunft aussorgen sollen. Niemand wird mehr gebraucht in Norwegen. Alle sind nur noch auf Urlaub dort.

In dieser Analyse stimmt sogar die Richtung, aus der der Wind weht. Und solche Charaktere sind alles andere als selten. Links wie rechts. Die Richtung ist egal. Heute ist Totalitarismus bereits in prinzipieller Zug der Persönlichkeitsbildung geworden, auch als Reaktion.

Totalitarismus ist aber keine Frage der Inhalte. Er ist eine Frage der Zuordnung seiner selbst, der Interpretation des Ich in der Kommunikation mit dem Du, dem Gegenüber. Ähnlich der Sucht ist er ein Problem der Gewalt über sich, nicht der Gegenstände (wie die Linke es regelmäßig versucht, substantielle Inhalte an sich zu desvaouieren - als Haß auf alles Sein, das prinzipiell dem Ideologenhirn widerspenstig ist.)

Der Mann in Oslo hatte ja in etlichen Einzelaussagen recht, so ist es ja nicht. Aber "recht haben" sagt gar nichts: einer Meinung anhängen macht nicht gerecht. Breiwik war wirr, und das zeigt sich im Mangel an Klugheit, denn sein Handeln hat keineswegs erreicht, was er wollte. Wo hätte er enden wollen? Indem er alle seiner Meinung nach gesellschaftsschädlichen Norweger - also: fast alle - eliminiert? Im Gegenteil, er hat genau die inkriminierte Lage noch weiter verschlimmert, er war also sogar kontraproduktiv - und damit sind wir wieder bei der gemachten Einschätzung: es ging nicht um Inhalte! Diese dienten nur als posthoc-Rechtfertigung, um die wirklichen und irrationalen Motive zu verbergen. So sehr die Linke die Diskussion darauf zu bringen versucht hat und noch weiter versuchen wird, um das Feld für ihr Handeln zu räumen, in dem es auch nicht um Inhalte geht. Auch die sind nur das Tarnnetz, unter dem Rambo wartet.

Aber plötzlich stellt so einer, der bisher eher eingeordnet gelebt hat (wenn die "Beobachtung für rechte Umtriebe" meint, sie hätte ihn im Visier gehabt, so ist das nicht einmal einen Huster wert - die haben auch jeden der noch normalen Bürger im Visier, ihre Kriterien sind universal wie Schmiegen, für einen Linken ist alles gefährlich, das nicht links ist), freilich Einzelgänger, freundlos, der aber dennoch aktiv sein Leben gestaltet hat, etwas fest, das übrigens (schöner Zusammenfall) in einem der aktuellen Kinofilme - "Was Du nicht siehst" (mit meinem lieben Kollegen Andreas Patton in einer der Hauptrollen) - thematisiert wird: der Mensch hat die Freiheit, zu handeln!

Er hat die Möglichkeit, etwas zu tun, auch Schlimmstes. Er hat nur sein Gewissen! Und das zu manipulieren ist heute (aber das war nie anders) Fertigkeit des Alltags. Was ihn hindert sind vielleicht noch manche innere (natürliche) Hürden (Muttersöhnchen!), innere Hemmungen. Schaut man aber der Welt ins Auge, ist es plötzlich eine Welt, vor der man sich nicht fürchten muß, in der man handeln kann. Einfach so! Das erlebt der heutige Mensch wie einen Befreiungsrausch.

Völlig gefaßt, hat der Norweger sich bei den Verhören "kooperativ" gezeigt. Nach eineinhalb Stunden Blutbad auf der kleinen Ferieninsel, während dem er geschrieen, ja gejubelt hätte, wie Überlebende berichten, erst dann hatte die Polizei (die nicht gleich ein Boot auftreiben konnte) ihn verhaften können, er hatte sich nicht gewehrt. Kein Zufall ist, daß der Bombenanschlag in Oslo vor dem Gebäude des Ölministeriums stattfand - Norwegen schwimmt im Geld, weil im Öl, es braucht keine Männer mehr, es braucht keine Söhne, der Staat sorgt für alles (Norwegen ist derzeit auch eines der letzten drei, vier Länder Europas, wo noch Sozialdemokraten regieren. Wie in Österreich.) Breiwik war bei der Mutter aufgewachsen, lebte bei ihr. Der Vater lebt in Südfrankreich, und möchte mit seinem Sohn nichts zu tun haben. Jetzt schon gar nicht. "Es wäre besser gewesen, er hätte  sich (vor dem Anschlag) selbst umgebracht," soll dieser öffentlich gemeldet haben, ehe er sich jeder weiteren Stellungnahme entzog.

Norwegen zieht Massenkuschler heran. Dem Ruf des Attentäters, als Bursche, ihm zu folgen, ist niemand gefolgt - er blieb alleine. Also nimmt nicht wunder, daß er vor allem eines nun wollte: Öffentlichkeit. Bei den Verhören, bei den Verhandlungen zum Prozeß, der ihm nächstes Jahr gemacht wird. Angeblich aus Pietät den Angehörigen der Opfer gegenüber. Zweifel an der Täterschaft bestehen ja nicht, weshalb man ihn auch ohne Urteil schlicht unter Verwahrung hält.

Also ist das zweite Ziel gleichfalls verständlich: genau jene Massenkuschler, die sich ihm als Masse, als a-individuelle Nichtse, überlegen zeigen, indem sie einfach die Funktionen des Körpers konsumieren (denn: von "Leben genießen" kann man hier tatsächlich nicht sprechen), eingefügt in diese dichte warme Humusschichte des Unbeweglichen, des Nichthandelns des Zeitgeists, der nur noch Sattheit kennt, aber die Seinskraft des Menschen, den Willen zur Gestalt nicht mehr sättigt. Also muß Rambo aufstehen, gerufen von den Bergen, aus der Einsamkeit zurück, Racheengel, der nun im Blutrausch die Welt richtet und rettet. Entbindung aus dem Mutterleib Volk/Mutter gelungen, ein Kind ist geboren - ein Individuum, mit Namen, mit Profil, ein Mann. Wie es früher mal war, als sich Sein nur aus der Mutter, mit Gewalt, erhob.

Es würde regelrecht verwundern, wenn solche Geschehnisse nicht in immer kürzeren Abständen vorfallen würden. Es wäre zu logisch. Und zwar GERADE WEIL Europa erneut aberwitzig präventiv-restriktiv und "pädagogisch"-manipulativ reagieren und den Mutterleib noch energischer wie bisher verdichten wird.

Ersatzwege sucht sich diese Haltung - die in Rambo zur Handlungskraft wird - ohnehin längst. Und dabei wird es wohl auch bleiben, was die Sache nicht unbedingt sympathischer gestaltet.

Denn eines fehlt den heutigen weltrettenden Rambos, ob sie nun Julien Assange oder Anders Breivik - der Unterschied ist Geschmackssache - heißen: Sie wollen am Schluß nicht selbst sterben. Sie wollen ihre "Tat" eigentlich nur für sich nützen. Und weil sie im Positiven, mit ihrem normalen Leben, nicht weiterkommen, zerstören sie das Ganze, so gut sie können, indem sie mit Vertrauensmißbrauch - eine Gesellschaft von Freien muß ihren Mitgliedern zumindest gewisses Vertrauen schenken, was auch heißt, damit zu rechnen, daß jemand es mißbraucht - arbeiten.

Ob das fürs wirkliche Heldentum reicht?


Nachsatz: Ansonsten bleiben von dem Fall nur Auffälligkeiten. So die Berechenbarkeit der Reaktionen. auch hierzulande - sie wären auf den Punkt vorhersagbar gewesen. Was den Verdacht weiter verstärkt, daß eine gewisse innere Tendenz, Geneigtheit im Fall Breiwik ans Tageslicht trat: als würden alle (in allen Farben und Schattierungen) mit solchen Vorkommnissen rechnen, ja manchmal könnte man sogar zur Meinung kommen: sich wünschen. Als habe Breiwik nur etwas getan, wonach es viele längst gelüstet. Aus nur scheinbar verschiedenen Gründen.





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