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Donnerstag, 4. August 2011

Kein Maß für Wichtigkeit mehr

"Die Zeit muß notwendig kommen, wo eine völlige Umänderung in der Betrachtung oder in der Vorstellung von der Presse vor sich gehen wird; aber noch imponiert die Entdeckung allzusehr den Menschen. Die Menschen müssen sich erst mehr daran gewöhnen, den Mißbrauch der Presse zu sehen, um ganz ruhig anfangen zu können, einen Überschlag zu machen über das Verhältnis zwischen Nutzen und Schaden, die diese Erfindung den Menschen gebracht hat. In den höheren Klassen der Gesellschaft ist man bereits nicht mehr weit von der Erkenntnis weg, daß die Presse unendlich mehr Unglück als Nutzen bringt. Ich rede beständig von der Tagespresse.

Bücher können wohl geduldet werden, doch am liebsten dicke Bücher; denn die haben durch ihre Proportion kein Verhältnis zu dem Augenblicklichen. Überhaupt liegt das Böse bei der Tagespresse darin, daß sie so ganz darauf berechnet ist, den Augenblick wenn möglich noch tausend und zehntausendmal mehr aufgeblasen und wichtig zu machen, als er bereits ist. Aber alle sittliche Erziehung besteht vor allem darin, daß man vom Augenblicklichen entwöhnt wird.

Wie China zum Stillstand kam auf einer Entwicklungsstufe, so wird Europa an der Presse zum stillstand kommen, stehenbleiben als ein Memento, daß hier eine Entdeckung gemacht worden ist, von der es zuletzt überwältigt worden ist."

Sören Kierkegaard in "Tagebücher 1848"

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Man nehme das Wort "Presse" und ersetze es durch "Internet", "Medien", etc. Verrücktheit, habe ich an dieser Stelle schon geschrieben, ist keine Frage des Irrtums oder der falschen oder fehlenden information! Verrücktheit ist eine Frage der falschen Gewichtung von Information und Wissen, der Unfähigkeit die Dinge noch sachgemäß zu ordnen weil zu gewichten. In den Medien tritt uns ja nicht die "Welt" gegenüber, sondern eine bereits von vielfachen Interessen gewichtete und selektierte Welt gegenüber.

Eine Welt, die wie die unsere so stark auf Medien aufruht, muß also zwangsläufig ihre Mitte verlieren, weil die Alltäglichkeiten - und sei es in der Kommunikation - zunehmend übergewichtetes Peripheres darstellen. Bis jedes Gefühl wir wirkliche Wirklichkeit verloren geht. Denn es geht nicht einfach nur um eine Welt des Scheins - es geht auch darum, daß diese Scheinwelt irre macht.  Solcherart ungesteuert, wird das reale Geschehen aber zunehmend unbewußt, hat mit der Welt des Denkens und Redens nichts mehr zu tun.


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