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Sonntag, 4. September 2011

Die Personalität des Wortes

Der Geist der Lüge, dem alles Menschliche im Menschen zum Opfer fällt, der alles erwürgt, dem Menschenmörder von Anbeginn, hat seine Macht über die Welt erst so richtig gewonnen, als das Papier erfunden war, schreibt Ferdinand Ebner in einem Artikel in der Zeitschrift "Brenner" im Jahre 1922.

Erst die papiergewordene Lüge, die den geistvernichtenden Widerspruch zur Wahrheit, die im Worte war im Anfang, nicht mehr so recht fühlbar werden läßt, sie erst richtete den Menschen ganz zugrunde. Das geschriebene Wort - mehr aber noch gilt das vom gedruckten - kommt, wie Platon sagt, überall hin, auch zu denen, die es nicht verstehen, und weiß selbst nicht zu sagen, für wen es bestimmt war und für wen nicht. Auf dem Wege durch Druckerschwärze und Maschine wird es, eben weil es durch einen Mechanismus der lebenserfüllten Unmittelbarkeit des persönlichen Moments bereits entrückt ist, selber zu etwas Unpersönlichem, und läuft zuletzt nur gar zu leicht Gefahr, dem Ursprung des Worts im Geist und in der Wahrheit sich zu entfremden. 

Die Phrase, von der das Herz nichts weiß und nichts wissen kann, die die Gehirne verklebt, die Urteilskraft knebelt und den Quell des Lebens im Gemüt verstopft, wird nicht aus dem Mund des Menschen geboren. Zuerst steht sie auf dem Papier, und von da erst kommt sie in den Mund des Menschen, um nun ihre Herrschaft in einer geistlos werdenden Welt auszuüben. 

Hat Platon, der durch Sokrates im Gespräch mit Phaidros seine Überzeugung ausspricht, daß niemals eine Rede in Versen oder in Prosa geschrieben worden sei, die von Anfang bis zum Ende ganz ernst zu nehmen wäre, das Unheil des Journalismus und einer in 'Welträtseln und Lebenswundern sich popularisierenden und prostituierenden Wissenschaft' geahnt, [...] das einem Geschlecht eignet, das viel zu wissen meint, während es nicht weiß, nicht einmal, wie fern vom Wissen und der Wahrheit es lebt?

Ein wichtiger Gedanke - das Wort ist nicht gültig und wirksam, ohne es im Insgesamt der Kommunikation gesehen zu werden: als Wort VON jemandem AN jemandem. Ein personaler Akt! Nicht ein (genuin) rational-rationalistischer, wie (entschuldigend, der Verantwortung, auch für die Lüge, entheben sollend) gerne behauptet wird. Wieviel mehr gilt das, was Ebner da schreibt, vom Internet, einer nächsten Stufe der Entpersönlichung der Kommunikation!



*040911*