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Dienstag, 6. September 2011

Im Vernünftigen verankert - II

Teil II) Wo sich der Kreis schließt - und wo er sich nicht schließt

Anders die Mystik des Abendlandes, die auf der Metaphysik Platos und Aristoteles aufbaut: Für sie ist alles Seiende nur insofern, als es ANTEIL am Sein hat. Diesen Anteil kann es verlieren, es kann nicht mehr sein, ins Nichts fallen. Nur insofern also hat alles Anteil am Sein, als es indirekt nur dann ist, als es gut und schön ist! Das ist etwas dann, wenn es seine eigene Aufgabe am vollkommensten erfüllt - je nachdem, was es ist. (Es gibt also ein Sein der Dinge, der Ideen.)


Deshalb ist alles Schöne (hier eint sich das Christentum mit der antiken Auffassung) auch gut, und deshalb IST alles, insoweit es schön ist. Je mehr etwas also es selbst ist - aus eigener Kraft, aus eigenem Willen, am Sein teilzuhaben (zu "sein" ist also hier nur bedingungsweise gemeint) Dieses "Denkkonzept" hat also Raum für menschliche Freiheit! Denn es ist vom Menschen verlangt, sich für das starke Selbstsein zu entscheiden. Alles Seiende hat hinter sich einen "Willen", ganz zu sein - die Liebe. Der Mensch, der selbst lieben kann, ist also am vollkommensten Gottes Ebenbild, je mehr er liebt. Denn desto mehr IST er.



Während der Neuplatonismus seine höchste Erfüllung im Hineinsinken ins Alleine sieht, das er erreicht, indem er sich auflöst: das Seiende hat keine spezifische Aufgabe, der Kosmos ist im Grunde eine Störung des Alleinen, nach dem alles strebt (interessant: es findet sich hier also mit der Entropie, dem Zerfall in den alles treibt, das keine Energie aufbringt bzw. zugeführt erhält - verliert, sich damit, auch physikalisch, in ein abstraktes Gesamenergetisches zurückzieht). Denn im Neuplatonismus ist alles umso reiner SEIN, weil direkt Sein, als es nicht durch Individualisierung in Dinge von ihm quasi separiert. Die Dinge sind belanglose, ja wie Warzen im Gesicht des Seins.


Im Christentum hat alles auf je gleiche Weise Anteil am Sein - wenn auch hierarchisch abgestuft, alles an seinem Platz! Je mehr also ein kleines Seitenrad "kleines Seitenrad" ist, umso vollkommener ist es. Gleiches gilt für den Kaiser. Im Neuplatonismus hat das kleine Seitenrad aber weniger Sein, sonst ... wäre es Kaiser, der das Sein mehr ausdrückt, als das kleine Seitenrad. (Da finden wir also sogar im Lutherismus diesen Neuplatonismus aufgelöst, wo die Höhe der weltlichen Stellung etwas über die Nähe zu Gott aussagt!)



Bleibt noch die Frage, wie sich der Wille des Alleins mitteilt? Im Neuplatonismus sind es die göttlichen Kräfte, separiert, in den Polytheismus hinein aufgelöst, der ja auch Hierarchien kennt, und direkt einwirkt. Im Christentum sind es die Hilfswesen der Engel, die als rein geistige Wesen keine körperliche Wirkmöglichkeit haben, sondern eben nur geistig wahrnehmbar (und nur insofern wirksam) sind. Deshalb ist ihr Medium auch das Wort, weil ihr Sein auf den Geist beschränkt: es ist das Wort (Gottes, weil auch ein Guter Geist nur Gottes Wort weitererzählt) das bewirkt, daß etwas ist. ("In principio erat verbum, et verbum erat apud Deum ..." - "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott ...") Entsprechend ist es das "Herz" des Menschen, das die Fähigkeit zur Vollkommenheit ausmacht: es hört (hören - Gehorsam ...) das Wort, und das Wort wird in ihm bewegende Kraft. So wird der Mensch (ja, sein Herz!) Symbol für die Wahrheit.


Und damit sollte sich der Kreis schließen: denn hier greift wieder die Vernunft, die allem innewohnt weil alles strukturiert (weil: wo keine Vernunft, fällt die Dingwelt ins Nichts), und in der es keine Graduierung gibt, die vom Inhalt abhängt, sondern die an der Wahrheit teilhat, egal in welchem Stadium und in welcher Konkretion.




Man kann es hier nur andeuten, nur anreißen - keine Bibliothek der Welt kann es ganz ausverbalisieren, so sehr das versucht wurde und wird. Daß ein Anlaß vorlag bzw. vorliegt, das Thema zu behandeln, darf der geneigte Leser aber annehmen.