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Sonntag, 6. November 2011

Beschränkungen

Welch fatale Kurzsichtigkeit, im wahrsten Sinne - unser Weltbild aus der Physik des Atoms, einerseits, und der Sterne, anderseits, naturwissenschaftlich konstruieren zu wollen! Denn um diese Welten zu "erforschen" muß sich die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit so weit einschränken, daß ihr Erkenntnisgewinn sich auf reine Phoronomie (also die rein mathematische Bewegungslehre ohne Bezug auf reale Bewegungen physischer Körper) reduziert.

Unsere Physik (und unsere Weltbilder mittlerweile), um es mit Worten von Eddington zu beschreiben, beschränken sich auf die Erkenntnisfähigkeit von jemandem, der auf sämtliche übrigen Sinne verzichtet und nur mehr mit einem Auge blickt, das noch dazu farbenblind ist. Denn anders nehmen wir von der Welt - im Kleinen wie im Großen - nichts wahr. (Weshalb sich Goethe so vehement gegen das Aufkommen des Newton'schen Weltbildes wehrte und auf die dramatischen Konsequenzen für unser Weltverstehen hinwies.)

Noch Heisenberg wies auf die dringende Notwendigkeit hin, daß die Physik (bzw. die Naturwissenschaft) ihre eigenen Voraussetzungen dringend neu überdenken müsse, denn tue sie es nicht, verrenne sie sich unweigerlich in einen fatalen Irrtum: indem sie das Verstehen der Welt völlig aufgibt, und die äußerst beschränkte und relative Erkenntnisweise ihrer Methoden verabsolutiert. 

Wir sind, schreibt Alexis Carrel, der amerikanische Naturwissenschaftler und Nobelpreisträger, Fremde in einer Welt geworden, die wir uns selbst geschaffen haben, die es nämlich "so" gar nicht gibt.

Diese Reduktion des Weltbildes auf das Erfassen reiner Bewegungsabläufe, die sich längst bis in die tiefsten persönlichen Anschauungen der Menschen ausgewirkt hat, ist kein gewissermaßen subtraktiv gewonnenes Teilbild der Welt, sondern ein völlig falsches: denn der Verzicht auf Geschmack, Farbe, Ton, Wärme, Dichtigkeit, selbst Elektrizität und Magnetismus (etc. etc.) läßt das Ganze der Erscheinungen gar nicht mehr vor Augen treten.

Zeit, und die unbeschränkbare, ja prinzipiell unbeschränkt sein müssende Vielfalt der Sinneseindrücke, sind aber die Faktoren, in denen sich die Welt offenbart - das Ganze der Dinge liegt mitten in all dieser Vielfalt, geheimnishaft "ganz" eben, aber erfahrbar.

Das führt zu viel dramatischeren Konsequenzen, als den Menschen gemeinliglich bewußt ist: denn somit schränken sich auch die Fragen (analog zur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeit) mehr und mehr ein! Ernst Lehrs schreibt deshalb in "Mensch und Materie", daß  

die Naturwissenschaft deshalb nicht in der Lage war und ist, einen gültigen Begriff von "Kraft" zu bilden. Soweit der Kraftbegriff in wissenschaftlichen Überlegungen auftaucht, spielt er daher die Rolle eines bloßen "Hilfsbegriffes". Was das naive Bewußtsein unter Kraft versteht, wird da zur bloßen "Beschreibung einer Verhaltensweise". Das aber hat zur Folge gehabt, daß die Forschung auf ihrem Wege nicht geleitet worden ist von den durch die Forscher gebildeten Begriffen, sondern von den jeweils durch sie entdeckten Kräften. Darin aber liegt die Wurzel der Gefahr der sich unser gegenwärtiges Zeitalter ausgesetzt findet.


*061111*