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Donnerstag, 8. Dezember 2011

Zur Männlichkeit geleistet

(Aus Die Presse:) ... Aus der Ferne sehen sie so freundlich aus, die Murmeltiere, aber der Blick täuscht, es wird erbittert gekämpft, auch unter den Weibchen: In jeder Gruppe – bis zu 20 Mitglieder – monopolisiert ein Alpha-Weibchen die Reproduktion und macht alle anderen nieder, mit hoch aggressivem Verhalten. Zwar kann es nicht verhindern, dass auch andere kopulieren und trächtig werden, aber dann fällt es so aggressiv über die Konkurrenz her, dass die in extremen Stress gerät und die Föten abgehen.

„Wenn doch einmal ein anderes Weibchen Junge bekommt – das ist so selten, dass ich es in 15 Jahren Feldarbeit nur ein Mal erlebt habe –, werden sie vom Alpha-Weibchen getötet. Da geht es rüde zu“, berichtet Wildbiologe Walter Arnold, „aber man muss den ökologischen und sozialen Hintergrund sehen.“ Murmeltiere leben im Hochgebirge, ihre Jungen kommen im Juli zur Welt und haben dann zwei Monate, sich auf den siebenmonatigen Winterschlaf vorzubereiten. Ohne die Erwachsenen würden sie den nicht überleben: Die Großen nehmen sie in den Höhlen in die Mitte und wärmen sie, vor allem die Männchen tun es, die Weibchen sind zu erschöpft, sie müssen auch nach jeder Geburt ein Jahr Pause einlegen (verhindern in dieser Zeit aber auch die Reproduktion anderer). Viele Junge haben nicht Platz, deshalb kann sich nur ein Weibchen reproduzieren. Und wenn sie es tut, wirft sie im Durchschnitt drei Junge, zwei Drittel davon sind Männchen bzw. sie werden es:  

Bei allen Säugetieren müssen die Föten dafür etwas tun, bestimmte Gene aktivieren und das männliche Sexualhormon Testosteron produzieren (tun sie es nicht, werden sie sterile Weibchen).

Dazu läßt sich so manche Beobachtung über "männliche" ("unweibliche") Frauen, oder gar über hermaphrodite Menschen stellen. Denn die auf manche so besonders anziehend wirkende (im besonderen über fetischisierte Sexualformen) "träge", lasziv, melancholisch-passive Charakterprägung gerade solcher männlicher Frauen fällt einem dazu ein. Daß gerade solche Typen heute sehr "gefragt" scheinen, liegt an nichts Geringerem als an der Tatsache, daß je geringer die Identität des Partners ausgeprägt ist, umso weniger Last des Selbstseins zu bewältigen ist: man trifft sich auf dem mittleren Niveau des Identitätsverzichts, sozusagen. Darin liegt die Prägung dieser Charaktere zum Fetischismus - als vorgestellte, nicht aber reale Geschlechtlichkeit begründet: in der Ausschaltung der Ebene wirklichen Seins, der Realität.

Auch die Homosexualität als "zu schwach ausgebildete Ursprungs-/Zielidentität" erhält unter diesem Gesichtspunkt weiteres Licht, weiß man, daß es bei der männlichen Identität um eine notwendig zu erbringende Leistung geht. Während die weibliche Identität gerade im Gegenteil, in der gelassenen Passivität ihre Ausreifung erfährt. Beide Geschlechter, je reziprok, leiden also unter einerseits zu geringem Vertrauen in ihre jeweilige Charakteristik - Aktivität/Passivität, sehnen sich aber anderseits genau danach, schieben diese Ebene aber in die Vorstellung, damit sie nicht real gefährlich (weil real prägend) werden kann.


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