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Freitag, 7. September 2012

Die wirkliche Antinomie

"Gratia supponit naturam" - die Gnade folgt der Natur, ja sie setzt sie voraus.

Im Christentum hat das Heidentum erstmals jenen Gott gesehen und wirklich erfahren, im Fleisch, wonach es sich immer sehnt und gesehnt hat. Das Christentum setzt also auf dem an sich Religiösen des Menschen auf - als existentielle Haltung der Abhängigkeit von Gott, der reifen Rückbindung an ihn.

Christentum in einem a-religiösen Menschen der Hybris kann also gar nicht aufsetzen. Es würde zu einer bloß voluntaristischen, wenn nicht technizistischen und moralistischen Bekenntnisverirrung werden. Wie sie ja auch tatsächlich in weiten Teilen des Protestantismus zu beobachten ist.

Die Frage stellt sich also heute, wo der Sozialstaat (aber nicht als einziger Faktor, lediglich als ein Kopf derselben Hydra) und unsere ganze Lebensweise die grundreligiöse Haltung regelrecht nihiliert hat, wo überhaupt noch Christentum - das aus seinem Wesen heraus KEINE Bekenntnisreligion, ja mit einer solchen unvereinbar ist - ansetzen könnte.

Ob Europa nicht erst einmal heidnisch WERDEN muß - als Fortschritt aus dem A-Religiösen heraus zu einem Heidentum zu finden, das sich auf bloß natürlichen Erfahrungen aufbaut, wenn es auch nicht mehr als Sehnsucht nach Gott und Erlösung bewirkt. 

Um DANN überhaupt erst wieder christlich werden zu können, ja zu wollen, weil erst im Christentum Gott als Vernunft - und damit als Freiheit - begreifbar wird.

Vielleicht ist es da ein Trost, daß ein Zusammenbruch der heutigen Lebensweise eine Rückführung der Menschen zu mehr Existentialität bedeuten wird. So, wie sie heute nur noch wenige Stände, und auch dort nur noch in Rudimenten, aufweisen - Bauern, Unternehmer, Freie Berufe ... bei den Leidenden! Nicht bei den Satten. Bei den Verlierern! Nicht bei den Systemprofiteuren. Bei den unheilbar Kranken! Nicht bei denen die an die Wunderkräfte der Medizin glauben. Bei denen in Ausweglosigkeiten! Nicht bei den Fortschrittsgläubigen, die die Magier der Gegenwart sind, weil sie an die Machbarkeit der Welt und der Erkenntnis glauben, und nicht bei jenen, die in verbeamteter Lebensform dahinvegetieren, weil ihnen jede Lebensmühe "als Schuld der anderen" abgenommen wird.


Auf dieser Grundlage kann sich Religiosität bilden, ja bildet sie sich zwangsläufig: wie überall, wo dem Menschen die Wirklichkeit als zu Gestaltendes und zu Beantwortendes, aber auch als Übermächtiges gegenübersteht. Denn da beginnt die Sehnsucht nach Gott.


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