Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 23. September 2012

Opfer und Fest

aus 2007) Das Opfer wie das Fest sind Orte, die dem Utilitarismus entzogen sind. In beiden Fällen - im Charakter der inneren Bewegung des Loslassens, des unbedingten Gehorsams einem Numinosum gegenüber, das mit Geschenk und Überraschung agiert (oder auch nicht), gar nicht unterscheidbar - vollzieht sich eine Absage an die innerweltlichen Zwänge, beides sind also transzendente Geschehen. Und sie sind Verzehr der Gaben, deren Geber man sich opfernd überanwortet. Sein Wirken, seine Gabe wird als höher eingeschätzt als das, was man mit der Opfergabe verliert. Sohin ist jede Feier eine Vorwegnahme des Paradieses, des vollkommenen Glücks, eine Realwerdung der Utopie.

Dort gründet auch die Idee des Kirchenbaus, des Baus eines Sakralraumes (und sei es durch den Schmuck der Wohnung), der innerweltlich das Vollkommene, aber nicht einfach dem Alltag Zugehörige darstellt und damit ist.

Dieses Vollkommene aber ist einerseits Ziel, anderseits jedoch Ausgangspunkt allen menschlichen Handelns. Jede Handlung trägt das Bild des Endzustandes, das sie in der handelnden Verwandlung zu erreichen sucht, vorausgehend in sich und sucht sie zu materialisieren. Erst in dieser Materialisation ist ihr Ziel erreicht, ist Befriedigung hergestellt.

Somit ist der Bau eines den Mittelpunkt bildenden Sakralraumes Ausgangspunkt einer Siedlung, wenn auch vielleicht erst nur geplant. Eine menschliche Ansiedlung hat nur dann Bestand, wenn sie einen solchen Sakralraum in ihrer Mitte trägt. Das läßt sich am historischen Siedlungsbau weltweit nachweisen. Hat ein Siedlungsraum kein solches transzendentes Zentrum, zerfällt er wieder. Hat er eines, so beweist er seine Hinorientierung auf Dauer und Weltformung.

Selbst der Kommunismus hat es mit seinen Zentren der Aufbewahrung weil Darstellung der reinen, regenerierend, stets reformierend wirken sollenden Idee - seien es die Aufmarschplätze, oder das Lenin-Mausoleum etc. etc. - bewiesen und nicht anders gehalten.

Dem Menschen ist aus seinem Grundverstand heraus klar, daß etwas, das sich nicht darstellt, daß also Formverlust oder -verzicht, ein Fehlen der Realität bedeutet.

Wenn der Mensch also nicht feiert - und ich meine nicht die Imitation der Feier, wie sie heute so oft stattfindet, somit die Effekte der Feier künstlich evozierend, anstatt sie empfangend - verliert er die Kraft, zu verwirklichen, zu leben, weil ihm das Ziel als Ausgangspunkt seines Alltags abhanden kommt. Hört er auf zu opfern, zieht sich die Welt seines Lebens auf einen ihm selbst unterworfenen Punkt zurück, wird damit schal und gabenlos rationalistisch. Er wird mutlos, weil nichts mehr ihn übersteigt, er die Welt als immanentistisch erlebt. Seine Hoffnung wird leer, sein Glaube wird zum Fanatismus.



***