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Freitag, 14. September 2012

Priestergehälter

Er sieht klein aus, der Schritt, Aaber seine Auswirkungen werden nicht klein sein. Und es wird meist nur darüber geredet, daß die Religionsgemeinschaften in der Tschechei ihnen unter den Kommunisten enteignete Güter wieder zurückerhalten sollen. Das entsprechende Gesetz liegt bereits auf dem Schreibtisch von Präsident Klaus und wird demnächst ratifiziert werden. Klaus will nur noch von Fürst Schwarzenberg (der, wie es heißt, nicht weiß, wie er dazu kommt) die "persönliche Garantie", daß als nächstes nicht doch noch die 1945 vertriebenen Sudetendeutschen mit Restitutionsforderungen antanzen.

Rund 3 Mrd. Euro Geld, und etwa noch einmal so viel Geldwert an Immobilien wird dabei die Kirche zurückerhalten. Bei kaum noch 27 % Katholiken (bei überhaupt nur noch 2 % Protestanten und Hussiten) in einem Land, in dem schon über 59 % seiner Bewohner von sich sagen, konfessionslos zu sein, sollte das reichen.

Wofür? Der ergänzende Passus fällt in hiesigen Medien meist unter den Tisch. Er besagt nämlich, daß sich der Staat schrittweise aus der Priesierbesoldung zurückziehen werde. Bislang waren die Priester nämlich von Prag bezahlt. Die Kommunisten waren also noch nachsichtiger (oder nur klüger) als Hitler, der auch die Besoldung strich und über die Kirchensteuer meinte, daß das der Todesstoß für die Kirche sei. 

Die Kommunisten hatten aber die gleiche Lösung gewählt, wie Josef II. 170 Jahre zuvor in Österreich, und diese Schritte wurden nie rückgängig gemacht: Enteignung der Kirche, dafür staatliche Besoldung. Weß Brot ich eß, deß Lied ich sing. Kirchen, Pfarren, wurden zu "geistlichen Versorgungseinheiten". Vom solcherart gegründeten "Religionsfonds" versprach sich Josef II. zugleich kräftige Staatseinnahmen. Eine Fehlkalkulation. Von Anfang an mußte der Staat ein Drittel der übernommenen Ausgaben zuschießen. Was die Kirche geschafft hatte - kostendeckend zu wirtschaften - war ihm nicht möglich. Entsprechend "kostengünstig" wurden also auch die zahlreichen Kirchenneubauten errichtet, denn Josef griff zugleich tief in die Organisationsstrukturen der Kirche ein.

So schauen die Bauten aus der Zeit auch aus. Die Ostung wurde sowieso endgültig aufgegeben, die Kirchen wurden nun nach Nützlichkeitsaspekten der Umgebung eingefügt. (Die Geschichte der Stadt zeigt, daß es immer und in allen Völkern umgekehrt war: menschliche Siedlung ging von einem sakralen Zentralpunkt aus.) Sonnenlicht, Einfügung in die großen Weltrhythmen, brauchten diese Kirchen nicht mehr, ab nun herrschte menschliche Vernunft und Imagination. Also wurde auch dieser Aberglaube (Gänsefüßchen) durch viel Kitsch und noch mehr Behauptung und noch mehr Eigensinn ersetzt.

Religionsgemeinschaften zu enteignen hat ja lange Tradition in der Geschichte, nicht nur in Europa, wenn es auch immer kräftige Mithilfe dieser selbst brauchte. So war dieser Punkt einer der wesentlichsten Treibsätze der Reformation, die deshalb von den Fürsten tatkräftigst unterstützt wurde, weil sie ihren wichtigsten Gegenspieler ausschalten konnten. Denn immer schon fühlten sich die Menschen ihrer Religion mehr verpflichtet, als dem Staat. Das änderte sich bekanntermaßen.

Dabei war Selbsterhaltung - und politisches Interesse - der einzige Grund, warum ursprünglich die Kaiser und Könige und Fürsten die Kirche mehr oder weniger großzügig mit Gütern ausstatteten, im Lehen, aber auch zum Eigentum. Gerade im Aufbau Europas seit Karl dem Großen war die Kirche die einzige Institution, die in der Lage war und das Wissen besaß, die Brachen und unzugängigen Wälder in blühende Landschaften zu verwandeln. (Herrenloses Land gehörte ja per se dem obersten Fürsten.) Schulen, Sozialeinrichtungen, Organisation (v. a. der Landwirtschaft, eben durch Lehen, und es ging den Bauern unvergleichlich besser unter kirchlicher Herrschaft, als unter der von weltlichen Herren!), sittliche Formung, und natürlich der Faktor Arbeitskraft - alles ging ganz oder teilweise von der Kirche aus.  Direkte Besoldung von Priestern gab es zwar auch, aber praktisch nur in Einzel- oder Spezialfällen, und sie war meist mit Einflußnahme auf die Seelsorge verbunden.

Fürsten zu etablieren barg hingegen viele Risken, so unvermeidlich es auch war. Aber sehr oft erwuchsen den obersten Herren damit unangenehme Konkurrenten oder nicht zu bändigende Partialkräfte. Gleichzeitig behielt  man oft beträchtlichen Einfluß auf die Organisation der Religion der Menschen selbst, was immer ein Spannungsfeld zur Kirche hin blieb. Im Bedarfsfall war es (bei klugem Taktieren) dennoch relativ leicht, im Zuge des steigenden Landbedarfs - durch zunehmende Bevölkerung, politische Notwendigkeiten, oder als Maßnahme der Bindung durch Lehensvergabe - die Kirche wieder zurückzudrängen. Was in dem  Maß leichter wurde, als (und soweit) die Religiosität der Menschen selbst sich abschwächte, ja Religion als Störfaktor für die Eigeninteressen gesehen wurde.

Nun, selbsterhaltungsfähig, soll die Kirche in der Tschechei auch die Besoldung ihrer Priester also wieder selbst übernehmen. Durch das, was sie erwirtschaftet oder an Spenden erhält. Denn Kirchensteuer gibt es nicht. Der Schritt ist freilich gar nicht so sehr aus Gerechtigkeitsgefühlen motiviert. Vielmehr haben in vielen Orten ungeklärte Eigentumsverhältnisse die Stadtentwicklung oder gar - horrible! - Investitionen blockiert. Denn lange schon hatte die Kirche mit Klage auf Rückgabe gedroht, was unabsehbare Folgen hätte haben können.

So könnte doch auch bei uns ein Weg aussehen, den Sack der Verbeamtung der Kirche schrittweise wieder zu öffnen, an dessen Effekten sie doch definitiv erstickt?



Nachsatz: Natürlich weiß der Verfasser dieser Zeilen, daß damit das Kapitel "Kirchenfinanzierung" noch keineswegs erschöpfend bgehandelt ist. Und natürlich weiß er, daß ein beträchtlicher Teil dieser Finanzierung über öffentliche Dienstleistungen geschieht - Schulen, Krankenhäuser, Altenheime, viele Dienste der Caritas etc. Aber das ist ja bereits eher ein Teil dieses "Auf sich Stellens", der Verdacht besteht lediglich, daß (sieht man von Klöstern ab, in denen das Armutsgelübde der Mönche einen anderen Umgang des Klosters selbst mit diesen Abgeltungen mit sich bringt) das geschilderte Verbeamtungsproblem an der Handhabung der Kirche selbst liegt. Der Verfasser dieser Zeilen weiß aus eigener Anschauung, zu welch erstaunlicher Höhe sich Gehälter einzelner Priester summieren können, die solcherart "mehreren Herren" dienen.



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