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Donnerstag, 27. September 2012

Schade um Harald Schmidt

Es ist schade um ihn. Aber wer einerseits so klaren, wachen, originären Verstand hat, anderseits aber doch vom System profitieren möchte, warum auch immer, kann nur im Zynismus enden.

Auszüge aus einem Interview mit Harald Schmidt auf Kurier-online

Hat das Publikum sich tatsächlich geändert?
Ja. Man ist jetzt Wutbürger, aber natürlich nur auf Lohnsteuerkarte und mit Urlaubsansprüchen. Und wenn man das Ganze so ein bisschen ironischer sieht, dann passt das nicht so ganz in den Zeigeist. Aber danach habe ich mich ja noch nie gerichtet. Meine Haltung, was die mediale Panik angeht, ist unverändert geblieben: Morgen läuft ne andere Sau durchs Dorf. Wir haben heute auf den Titelseiten das Thema Polkappen-Schmelzen. Das habe ich, seit ich Kabarett mache, schon vier Mal im Programm gehabt. Dazwischen war das Waldsterben, Aids, Gammelfleisch, BSE-Skandal, Atomenergie. Wenn Sie das eine Weile beobachten, sagen Sie: Es gibt eine große Industrie, die von diesen Meldungen lebt. Das Internet hat das noch verstärkt. Ich bin aber nicht verpflichtet, gleich meinen Cappuccino zu verschütten, nur weil so was in der Zeitung steht.

Von neuen Medien halten Sie bekanntlich nicht so viel. Nur mit Twitter hatten sie sich zwischenzeitlich ein bisschen angefreundet ...
Ich hab’s dann gleich wieder weggeschmissen. Es ist total lächerlich. Das war so ein Versuch: Guckt mal Kinder, wie neugierig ich bin. Einen Scheißdreck interessiert’s mich. Ich habe ein Telefon, das reicht. Und ich habe natürlich jede Menge digitale Sklaven, die alle Frisuren haben, wie man sie in Österreich aus der Zeit kurz nach dem Anschluss kennt – das ist jetzt hip –, und die können das alles. Ich bin auf dem Stand Brieftaube, und mit dem Rest können sich irgendwelche jungen dynamischen Mitarbeiter abstrampeln.

Das Internet wäre für Sie kein Forum?
Facebook ist für mich zum Beispiel total hirnrissig, weil ich davon lebe, dass Informationen, die ich rausgebe, bezahlt werden. Also wieso sollte ich umsonst ins Netz stellen, wie ich in eine Kartoffelsuppe falle? Wenn ich das am Abend von Abonnenten bezahlt kriege.


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Auf Welt-am-Sonntag stand zu lesen:

Welt am Sonntag: Wir erleben seit Jahren eine schwere Krise, ihr Ausgang wird unser Leben und das der nachfolgenden Generationen wesentlich prägen. Dennoch hört man von Ihrem Berufsstand, den deutschen Comedians also, ziemlich wenig zu dem Thema, oder?

Schmidt: Selbstverständlich, und ich kann Ihnen auch sagen, warum: weil sie nicht verstehen, was vor sich geht. Der deutsche Comedian hat doch im Grunde nur eine einzige Haltung: Politiker sind doof. Noch dazu ist sein Publikum überwiegend geistiger Mittelstand. Die klatschen nicht, weil sie gut finden, was da gesagt wird, sondern weil sie dankbar sind, dass sie begriffen haben, wovon die Rede war. [...]

Die größte Herausforderung für alle Comedians ist doch, dass das Schwarz-Weiß-Denken nicht mehr so funktioniert wie früher. Als ich anfing, gab es Franz-Josef Strauß, es gab die Mauer, und es gab Andrej Gromyko, und es war klar – als deutscher Kabarettist war man links. Heutzutage kenne ich keinen mehr, der nur noch in Kategorien von links und rechts denkt – außer im deutschen Kabarett und in deutschen Ortsvereinen. Die wirklich entscheidende Frage ist nur: Wer kann noch erkennen, was mit einer Bilanz versteckt werden soll? [...] Was das Kabarettpublikum hören will, ist schnell erklärt: Die da oben füllen sich die Taschen, und wir werden beschissen.

[...] Nein, ich finde Deutschland großartig. Ich will morgens um sechs das erste Interview mit Wolfgang Bosbach hören, um 6 Uhr 30 will ich Peter Altmaier, und um 6 Uhr 45 will ich Martin Schulz aus Straßburg sagen hören, dass er jetzt endlich nicht mehr aus dem Zimmer geschickt werden will, wenn die Großen reden. All das muss finanziert und durch Steuern gestützt werden, und deswegen habe ich kein einziges Steuersparmodell – freue mich aber über jeden, der sich damit ruiniert.

[...] Welt am Sonntag: Ihre ganzen Reichtümer verwalten Sie selber?
Schmidt: Klar. Nach dem Steinzeitdrittelprinzip: Festgeld, Immobilie, Aktie.

Welt am Sonntag: Und was macht Ihnen da momentan am meisten Freude?
Schmidt: Aktien.

Welt am Sonntag: Welche?
Schmidt: Ich kauf nach Sympathie. Wenn ich den Vorstandsvorsitzenden mag oder wenn einer rausgeflogen ist, den ich nicht leiden konnte. Wie die Wirtschaft eben so ist: tief emotional.



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