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Sonntag, 11. November 2012

Opfer der eigenen Anmaßung

In der österreichischen Die Presse fand sich unter einem Interview mit der Finanzministerin, der "Schotter-Mizzi" (sie war vor ihrer Politikkarriere Eigentümerin einer Schottergrube, Anm.), Maria Fekter, eine Replik eines Lesers. Ihn wundere, daß es Österreich noch immer so gut gehe, bei solchen Führungskräften. Fekter hatte zuvor ein Ende der "Firmgöd-Mentalität"* gefordert, weshalb eine öffentlich zugängige Datenbank sinnvoll sei, in der jede Fördermaßnahme des Bundes nachvollziehbar würde.

Nun ist zwar die Reaktion verstehbar, aber sie beruht auf einer falschen Annahme. Sie beruht genau auf jener Zielsetzung erfolgreicher Propaganda, Parteien und vor allem ihren Proponenten als Politiker Einfluß auf das individuelle Wohlergehen zuzuschreiben, die sie in Wirklichkeit gar nie hatten. Das heißt - im Positiven. Kein Politiker, keine Partei kann "Wohlstand schaffen", kann Lebensvollzüge "machen", kann "Wirtschaft florieren lassen", etc. etc. 

Staatspolitik kann nur eines: sie kann diese Abläufe verhindern. Wenn sie die Lebensvollzüge der Menschen nicht zuläßt. Nicht also die Menschen eines Landes abbildet, sondern zu verändern sucht. Das muß zum einen zwangsläufig scheitern, hinterläßt aber zum anderen ein Chaos zerrütteter menschlicher Beziehungen.

Und das sind aber genau die Gebiete, die sich die staatliche Politik seit vielen Jahrzehnten "unter den Nagel gerissen" hat. Bereiche, die sie nie etwas angingen, außer daß sie sie zu schützen gehabt hätten. 

Während jene Bereiche, die wirkliches und genuines Gebiet staatlicher Politik wären, nach und nach aufgegeben wurden, ja, aufgegeben, nicht mehr wahrgenommen. Wie Außenpolitik (die nicht nur nie wahrgenommen, sondern längst in Händen der EU liegt), Landesverteidigung (die in Österreich seit Jahrzehnten regelrecht aufgegeben wurde), in gewissen Bereichen der Justiz (niemals kann eine Justiz sämtliche Lebensbereiche mit Gerechtigkeit versorgen, das überfordert sie prinzipiell!), und nicht zuletzt in der Repräsentation des Ganzen, als Symbol der Einheit der Menschen eines Landes (was in einem grotesk mißverstandenen Europa-Begriff aufgegeben wurde, wo der Staat in ein Ganzes hinein aufgelöst wird, nicht einem Staatenbund angehört),** als Garant der Einheit eines Landes, was sich aus dem Schutz der Lebensweise der Menschen ergibt (was durch die "Migrationsdebatte" regelrecht unterlaufen wurde, indem man einfach Tatsachen und damit eine Vorentscheidung schuf, die, als die Menschen aufwachten, mit bloßem, wenn auch verständlichem "Schutzreflex" nicht mehr zu bewältigen ist.)

Es war aber immer eine alte Weisheit, die sich in der Geschichte der Habsburger beispielhaft vollzogen hat: Kein Regent kann ein Land wirklich maßgeblich beeinträchtigen. Aber sie hat eine Bedingung, nämlich die, daß ein Staat gar nie so viel Einzelmacht hatte, daß er das überhaupt könnte, auch durch die (fehlende) Funktion der Medien. Sie beweist, daß in früheren Zeiten auch völlige Nieten nie so viel Macht hatten, den Staat, die Menschen, das Volk so nachhaltig schädigen zu können, daß es große Wirkung hinterlassen hätte. 

Das setzte erst ab dem Moment ein, wo der Staat - endgültig in der Aufklärung - sich aufzuspielen begann. Und in Bereiche eingriff, die ihn auf diese Weise gar nichts angehen. Ab dem Moment begann der Staat auch mehr und mehr Einzelmacht an sich zu ziehen, die ihm nicht zusteht, und sich "sein Volk" zu formen. Und sei es in der Einführung einer allgemeinen Schulpflicht, die die Menschen nicht gebildeter machte, sondern einer aufklärerischen Vorstellung von "Bildung" (und damit einem Menschenbild) konform. 

Macht, die ihn - wie gesagt - in die Lage versetzt, den Lebensvollzug der Menschen zu stören, zu beeinträchtigen, ja zu verhindern, und DADURCH "zu lenken". Und im Umkehrschluß unmündige, hörige Volkschaften schuf. Denn Leben vollzieht sich nicht nach Bildern, die nachgestellt werden könnten. Sondern im der Menschennatur gemäßen Schritt ins Wagnis, ins Unbekannte der Zukunft, aus den konkreten Anforderungen der Gegenwart heraus. 

Nie aber schafft es Politik, solchen einzelnen Lebensvollzug zu "schaffen". Staatliche Politik darf nur vollziehen, was ein Volk will, und das drückt es durch den je individuellen Lebensvollzug aus, auch in den Rückschlägen bei Irrtümern und Fehlentwicklungen. Ein Staat muß ihn stattdessen ermöglichen, im Positiven schützen. 

Deshalb ist es lediglich Symptom erfolgreicher Propaganda, den Staat als Allheilmittel zu verlangen, weil sie die Lebenshorizonte der Menschen aus ihrem nächsten Umfeld abzieht, und auf Fragen verlegt, die nie und nie in dieser Form die ihren waren. Wo Problemstellungen als dringlich und wesentlich angesehen werden, die es aber für den Einzelnen nicht, zumindest nicht in dieser Direktheit, sind. Wenn die Politik nun darunter längst leidet, daß sie mit Erwartungen überhäuft wird, die sie gar nie erfüllen kann, so ist sie höchstens selber schuld: jeder Politiker, der um seine Wahl buhlt, versucht, das glauben zu machen. Aber diese Enttäuschung, die zwangsläufig eintritt, verdient so gar kein Mitleid. Vielmehr sollte Staatspolitik endlich beginnen, sich aus all diesen Bereichen wieder zurückzuziehen, die sie sich im Größenwahn (und durchaus persönlicher, auch bösartiger Absicht Einzelner) angemaßt hat. 

Dann hören auch die Menschen wieder auf, zu verlangen, daß sich das Parlament mit Fragen wie "Rauchverbot" oder "Frauenpolitik" auseinandersetzt, wo jede Unbill, die im täglichen Leben auftaucht, den "Politikern" in die Schuhe geschoben wird. Während sich die Politik doch vor allem dadurch hervortut, daß sie individuelle Lebensvollzüge  hemmt oder unterbindet. Dann werden sie vielleicht wieder zu begreifen beginnen, daß ihr Leben in ihrer Hand liegt. 

Nur muß man es dort auch lassen.





*"Göd" oder "Geed" (mit der weiblichen Form "Go[de]l" oder "Goli") kommt von "Gotte", von "Vater", "Pate". Wohinter sich natürlich das Gleichsetzen von Gott und Vater verbirgt. Ein Firmgöd ist also der österr.-bayrische Begriff für Firmpate. Der sich als Esatzvater verstand, im Waisen- oder Bedarfsfall gar das Kind verpflichtend zu sich zu nehmen hatte, was sich bis heute in der Volksmeinung erhalten hat, und nach Kräften beitragen mußte, seinen Zögling zu erziehen und zu fördern, auch eben durch materiellen Beistand
**Erwähnt soll noch die Kunst und die Religion werden, deren Blühen in bestimmter Weise über das Mäzenaten- und Stiftertum ebenfalls eine Aufgabe des Staates ist, freilich ohne Künstler oder Religose "machen" zu können, wie sich Förderung heute so häufig mißversteht.
*** Gerade in dieser Repräsentation aber, in der Darstellung des Geistes aus dem ein Land lebt, läge das Wesentlichste, was ein Staatsoberhaupt für ein Land tun kann - es mit seinem Geist befruchten, aus dem die Menschen atmen und leben. Anders also als viele meinen, ist in der österreichischen wie deutschen Demokratie der "Bundespräsident" - als Referenz auf den Fürsten - weit entscheidender, als die gewählten Volksvertreter.



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