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Sonntag, 16. Dezember 2012

Am Kern vorbei

Die Presse schreibt über den Papst-Tweed. Aus dem Artikel soll nur ein Absatz herausgegriffen werden, weil er der Schlüssel zum "Problem Papst-Tweed" ist.

Niemand hat je gezweifelt, daß der Papst nicht auch über den päpstlichen Twitterkanal - nominell - lesenswerte oder theologisch hochwertige Aussagen trifft. Nur ist das gar nie das Problem gewesen.

Das Problem ist die Eigenlogik des Mediums ALS Botschaft, ja als eigentliche Botschaft. Ein Papst, der am Schreibtisch sitzt, und dem Botschaften (auf Papier) vorgelegt werden, wird natürlich nur danach fragen, und das prüfen, was diese Inhalte anbelangt. Er hat aber mit der Verbreitung, dem Medium, in das diese Botschaft transformiert wird, wohl kaum Kontakt. Zwar wird sich das mit Sicherheit mit der Zeit ergeben, mehr oder weniger, und darin liegt nach wie vor auch das Zutrauen des Verfassers dieser Zeilen, die hier so ablehnend-kritisch lauten. Aber diese Eigenwirklichkeit, diese Wirklichkeitsdimension der Neuen Medien, der social media, wird zu wenig oder gar nicht berücksichtigt. 

Und DAS ist das Problem. Das ist auch das Problem der Wahrheit. Wenn nämlich in einem der ersten Tweeds davon die Rede ist, daß auch über diesen Kanal die Wahrheit verkündet werden könne, so steckt DARIN die potentielle Lüge. Nominell, dem Wortlaut nach - ja. Hier hat gewiß jeder Tweed hochgradige Ähnlichkeit mit nominellen Aussagen anderer Kommunikations- und Verkündigungsformen.

Aber die Lüge zeigt es ja vor. Die Lüge lügt nicht durch Faktenunwahrheit. Sie lügt durch die Kommunikationssituation selbst. Es ist Merkmal des Gegenwartswahnsinns, der sich als Technizismus ausgebreitet hat, die Welt auf das Erfüllen bestimmter Postulate festzulegen, um ihr "Gut" zu bewerten.

Der Papst prüft in seinem Bereich, am Schreibtisch, etwas ganz anderes, als jene, die diese Botschaften versenden, in seinem Namen! Er prüft die nominellen Inhalte. Der Versender - die technische Funktionalität. Niemand prüft das Insgesamt der Botschaft! Seine wirkliche Wirklichkeit! Das ist nicht nur eine, ja DIE Zeitkrankheit, das ist ja leider auch das Wesen des Versagens Roms seit Jahrzehnten, ja seit dem "Aufbruch" in den 1970er Jahren. Und die Reihe der unzweifelhaft falschen Entscheidungen ist beträchtlich, die - auch Päpste damit - getroffen wurden, und das Leben der Kirche weiter verdunkelt haben. Unfehlbarkeit bezieht sich nicht auf "kirchenpolitische Entscheidungen". Viel zu viele Päpste, die durch ihr praktisches Verhalten ganze Völker vom Glauben haben abfallen lassen, ja abgebracht haben.* Und Papismus ist, umgekehrt, nicht "Papsttreue" als Treue zur Kirche. Eher sogar das Gegenteil - eine Maske, hinter der sich gravierende Persönlichkeitsprobleme verbergen, und damit direkt "Heiligkeit" berühren weil zur Simulation verkommen lassen.

Daraus folgen offenbar auch weiterhin so manche Fehlurteile. Wie die Haltung zu den social media. Wie in Medjugorje zu erwarten ist, der Verfasser dieser Zeilen macht sich da keine Illusion. NOMINELL werden auch dort kaum Fehler in der Theologie nachzuweisen sein. Nominell werden dort kaum schlechte Dinge geschehen. Es wird gebeichtet, es wird gebetet, was auch immer. Aber alles das wird nominell getan, und eben nur nominell - pseudowirklich! Imitation des wirklichen Wirklichen, das diese Akte an sich darstellen sollten. Um ihre "Gutheit" zu prüfen, prüft man nur die technischen Abläufe. Die Ablehnung von Medjugorje - die die weltweite Bewegung als Indiz  für seinen Irrtum sieht, weil der Glaube, ganz in postkonziliarer Tradition sozusagen, nicht als Beleg seiner geistigen Strahlkraft, sondern als Beleg seiner Vernichtungskraft sieht baut auf eben etwas ganz Anderem. 

Der Verfasser dieser Zeilen ist überzeugt, daß Medjugorje gar nicht mehr in seiner wirklichen Dimension als immense Gefahr für das Glaubensleben verurteilt werden KANN. Denn man würde mit dem Unkraut enorm viel Weizen mitausreißen. Es wird aus praktischen Gründen alleine bestenfalls zu einer vorsichtigen Formulierung kommen. Man hat viel zu spät gehandelt, einerseits, und anderseits in permanentem Ungehorsam (das alleine Medjugorje schon als Indiz in völligen Widerspruch zu anerkannten Erscheinungen wie Lourdes oder Fatima stellen würde) - das Laster ist wie Wasser: es trägt nur Form, solange es mit ausreichendem Gegendruck gehalten wird -  Viel zu spät erkannt. Wenn man überhaupt erkannt hat. 

Es ist überhaupt kein Zufall und überwältigend präzise als Problem der Acedia analysierbar, warum Gruppen wie "Medjugorje", "Weltjugendtreffen" und "Neuevangelisierung (übers Internet)" und generell "Internet/social media" (fast sämtliche Erneuerungsbewegungen der letzten Jahrzehnte lassen sich ebenfalls in diese Kategorie einreihen) sich völlig decken, eins im anderen und untereinander enthalten ist - es sind dieselben Menschen, dieselben Charaktere (als Grundtypus des Kulturverfalls dieser Zeit!), und damit dieselbe Grundproblematik. Es ist die Problematik des Glaubens der Welt, und zwar: wirklich. Wo u. a. als Symptom das Wesen der Heiligkeit verkannt, ja umgedeutet wurde.

Theologie (im Papst-Tweed) ist nicht die Funktionalität gewisser Rationalismen. Diese ist lediglich posthoc festzustellen, und darf nicht fehlen, so wie Logik ein Ergebnis bringen kann, das HINWEIST auf einen fundamentaleren Inhalt, den Logik nur abbildet, den sie aber nicht IST. Er ist weit weit mehr. Bouyer u. a. zeigt sehr gut, wie untrennbar das Betreiben von Theologie mit dem Insgesamt des Theologen selbst zusammenhängt. Die Botschaft aber, die auch dieser (an sich verehrenswürdige) Papst über seinen Tweed wirklich vermittelt, ist eine ganz andere, als er in seinem Bereich zu sehen bekommt.

Darin liegt vielleicht sogar der Grund, daß der Verfasser dieser Zeilen aus dem Presse-Bericht eine gewisse Enttäuschung herauszulesen meinte. Man hatte sich sichtlich mehr erwartet. Nun war es nur eine weiter Twitter-information. Mit Inhalten, wie man sie erwarten konnte, die man ohnehin kennt (bzw. zu kennen meint.) Mehr als das Feststellen des Funktionierens des Instruments Twitter (was ja das Wesen der 'Erfahrung des Internetgebrauchs ist: man erfährt ein "Können-Können", so wie in jeder anderen Tätigkeit, hier aber auf die Technik bezogen folgerichtig "inhaltsleer") gab aber auch die Papst-Botschaft nicht her. Tausend Rosen ...



*Kirchenpolitische Fehlentscheidungen von höchster Stelle, als deren Folge der Glaubenssinn verwirrt wird, sind leider auch in unserer Zeit an der Tagesordnung. Man denke nur an die "Zulassung von Frauen zum Altardienst" - den unseligen Ministrantinnenerlaß, den der Vorgänger dieses Papstes herausgab. Dessen direkte Folge sich zeigt, wenn der Bevölkerung jedes Verständnis dafür abhandengekommen ist, warum Frauen nicht auch zu Priestern geweiht werden sollten. Was  hat man sich vorgestellt? Man kann nur noch den Kopf schütteln. 

Ein schwerer Schaden, auch wenn scheinbar keine "dogmatische Unstimmigkeit" damit verbunden war. Und doch war sie es, als Folge: die Praxis stand nicht mehr in einer Linie mit den tiefsten Geheimnissen. Wie sehr der Glaubenssinn verwirrt ist sieht man eben gerade an dieser Frage, denn die Geschlechterfrage bzw. die ums Priestertum ist direkt mit den tiefsten Fragen um Trinität, Gott, Schöpfung und Mensch verbunden, und darin mit dem Priestertum. Die argumentative Verweigerung durch Berufung auf die Einsetzung durch Jesus selbst, auf sein Tun, wirkt vor diesem Hintergrund wie eine feige Ausflucht. Und wird auch von vielen Befürwortern des Frauenpriestertums gar nicht ernstgenommen. Der eigentliche Glaubenssinn dahinter ist längst zu schwer geschädigt. Und gerade in diesem Geheimnis des Mysteriums der Schöpfung in sich und zu Gott hin bzw. von diesem her sind die Auswirkungen kaum abgrenzbar. Die Auswirkungen auf die Natur der Priesterberufungen selbst - in Form einer "Denaturierung", eine rDehumanisierung - sind gar nicht abschätzbar. Die Verteidigung der Männerordination liegt heute dafür fast ausschließlich in Händen von Fanatikern, weil es gar keine jüngeren Menschen mehr gibt, deren wirkliches Werteempfinden mit der Dogmatik noch übereinstimmt, die Dogmatik voluntaristisch bleibt. 

In ganz genau dieselbe Kategorie gehört übrigens die Zulassung von Frauen zum Lektorendienst, oder als Kommunionspenderinnen. In weiterer Folge, und ebenfalls damit in direktem Zusammenhang stehend, die Ausbildung von Theologinnen. Diese Zulassung(en) heute wieder zurückzuziehen würde nun bereits so viel Aufregung nach sich ziehen, daß der Schaden in jedem Fall unermeßlich wäre - es fehlt bereits jedes Verständnis dafür, das Wertegefühl der Menschen wurde schmählich verraten, und dem Zeitgeist ausgeliefert. Dem man sich selbst beugte. Und das in Zeiten der Liturgiereform sondergleichen? Oder glaubt man gar nicht mehr, daß die Ordnung des Kults auch Quelle (und Urbild) aller Wert- und Weltordnungen ist, eine "Schule" des Wertempfindens, das ein Gefühl für den Raum und Beziehung ist. aus der heraus sich die Dinge definieren? Die Form der heutigen Kirchenbauten - allesamt: Auflösungsstätten von Raum und damit Schöpfung - ließe ja ohnehin schon darauf schließen. Dafür hängt man das, was man glauben sollte, aber nicht mehr erfährt, in großen Transparentsprüchen an die Wände.



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