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Samstag, 26. Januar 2013

Ein Wunder

Am besten vor Überwachung schützt noch immer die Inkompetenz der Überwacher. Eine knackige Kernaussage, die am Schluß des letzten Kongreß des Chaos-Computer-Clubs in Hamburg stand. Der Artikel, den die FAZ dazu verfaßt hat, ist lesenswert. Und er macht einerseits schmunzeln - die Sympathie des Verfassers dieser Zeilen für Anarchisten, solange sie sich nicht selbst zu ernst nehmen, ist ja den Lesern dieses Blog vertraut - anderseits steigen die Grausbirnen auf. 

Die Grunderkenntnis ist aber wie überall dieselbe: Die Inkompetenz der meisten Menschen (wenn nicht aller), die überhaupt einen Beruf ausüben, ist fast nicht glaublich. Auch im Computerwesen ist es nicht anders wie sonstwo im Alltag, auch da wissen nur die Allerwenigsten wenigstens annähernd, was sie überhaupt tun, das schreibt schon Joseph Weizenbaum. Sie tun es halt, so flott und fix wie eben möglich. Kaum eine Branche aber, die derartig überschätzt wird, könnte man sagen. Wäre es nicht in allen Branchen letztendlich so. Das "Können" hat noch nie die Welt zusammengehalten. Und gerade das wird heute am meisten geglaubt. Die Welt ist ein gigantisches Wunder. Alles andere anzunehmen ist pure Phantasterei. Denn mit jedem "da muß man" wird es nur noch schlimmer, statt besser. Auch das gilt für alle Lebensbereiche. Wenn die Vernunft fehlt, wird der Verstand zum Spaßclown.

Es ist sie Normalität, die Anständigkeit der meisten Menschen, und die meisten  Menschen sind anständig, und eigentlich alle wollen es sein, die die Computerwelt aufrechthält. Nicht umgekehrt, wie uns eingeredet wird. Es sind die Menschen, die im Grunde wissen, was sie sollen und wollen und dürfen, nicht Softwarefinessen und Schutzeinrichtungen und Gesetzestechnizismen. Die Gefahr liegt lediglich darin, sie zu ernst zu nehmen, diese Kunstwelt. Denn tun wir das, durch hirnrissige Gesetzesbindungen, durch Aufwertung inkompetenter Gesetzgeber*, ist erst das Feld für wirklich Bösartiges eröffnet. Nichts und niemand in der Welt vermag aber eine Computerwelt zu errichten, die das einlöst, was wir ihr im Wahn zumessen.

Dilettantische Polizeiüberwacher, die gar nicht in der Lage sind, den Datensalat, den sie geliefert bekommen oder generieren, zu ordnen, schon gar nach Gesetzesrelevanz zu bewerten, oder Privates punktuell  zu löschen. Software- oder Hardware-Sicherheitsbarrieren, die von jedem, der sich auch nur oberflächlich damit befaßt, mit wenigen Handgriffen auszuhebeln sind. Einkaufsvernetzungen und Zahlvorgänge, die grotesk unsicher sind. Im Ganzen noch dazu - ein fast rechtsfreier Raum, weil niemand die Relevanz der Dinge beurteilen kann, mit denen die ganze Computerwelt unsren Alltag bis in den letzten Klowinkel verfolgt - niemand weiß, was er da tut, wie es sich insgesamt auswirkt, was die Software und die Vernetzung tut oder kann. Und was für Informationen es überhaupt sind, die da ermittelt werden. Nicht quantitativ, sondern was welche Daten überhaupt aussagen. 

In einem Berufs- und Geschäftsfeld, wo (auch aus persönlicher Erfahrung des Verfassers dieser Zeilen) Experten herumlaufen, die gerade einmal in der Lage sind, simple Kaufprogramme in Teilen zu bedienen, aber denen es unmöglich ist, zu sagen, was sie überhaupt da tun - außer, daß dies oder das "funktioniert." Und so "funktioniert" unsere schöne brave Computerwelt gerade mal hier und dort, für Teilabläufe, vielleicht, bis zum nächsten Absturz. Aber sie ist in einem Ausmaß sinnlos, daß man nur fordern sollte, den berühmten Generalstecker zu ziehen, damit der Spuk vorüber ist. Niemandem würde etwas fehlen, wahrscheinlich würde es auch niemand merken. Und alle würden staunen, wie viel Wirklichkeit in den aufgewachten Menschen wieder aufsteht. Dann, wenn die künstlichen Regeln, die uns längst wie eine Geisteskrankheit bis in die letzten Winkeln nachgekrochen sind und uns umfangen, endlich außer Betrieb sind.

Denn zum einen liegt es eben im Wesen des Menschen, weist auf seine Grundorientierung zum Logos selbst hin, zum anderen ist es ein Schlüssel zum Verständnis dieser Zeit: Daß wir mit den Instrumenten, die wir Denken nennen, das erfüllen, was als Zu-Denkendes Gleichförmigkeit mit diesem zu Denkenden gebietet. Ein Zirkel, in den uns der Rationalismus zunehmend eingesperrt hat, den nur Transzendenz zu durchbrechen vermag. Bleibt unser Denken immanentistisch, spiegelt es in einem immer wahnwitzigeren Spiralrausch nur noch sich selbst, nicht mehr die Welt. Wir tragen unsere Gefängnisse in uns, und glotzen durch die Gitterstäbe mit verwundertem Blick auf die Wüsten der Welt, die von plündernden Räubern durchstreift werden, die wir aber ... einander geworden sind.

Das entspannt einerseits sogar, und man sollte es sich immer wieder einmal vor Augen führen, um sich vor dem Phantom, das über unserem Leben lastet, nicht über das notwendige Maß hinaus zu fürchten. Freilich, anderseits macht es die Sache erst recht gefährlich.





*Und diese Gefahr ist mehr als real, denn den offiziellen Eliten unserer heutigen Gesellschaften zu trauen wäre längst der größte Fehler, das ist endgültig vorbei. Legitimität wird zum Grundproblem aller politischen Systeme. Das wissen die Eliten, alle Systemprofiteure, und aus diesem Grund alleine ist ein ausufernder Gewaltapparat zu verstehen, der das System zusammenhalten, seine Klammern neuer Mythologien einzementieren soll.




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