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Donnerstag, 17. Januar 2013

Spiegelbild der Politik

Wieder greift der Verfasser auf Die Welt zurück, weil sie in einem Artikel genau das aufgreift, was an dieser Stelle schon lange behauptet wird: Die als Schreckgespenst dargestellte, angeblich drohende Verarmung des Mittelstandes. Während aber die Welt daraus zu erkennen meint, daß die Angstparole unberechtigt ist - noch nie waren so viele Menschen "Mittelschicht" wie heute - lassen sich ganz andere Schlüsse daraus ziehen.

In einer Graphik wird nämlich deutlich, daß die Politik sich auch hier ein Problem via Umdefinition selbst geschaffen hat. Das zu beheben sie dann vorgibt und zum Inhalt ihrer Argumentation macht, die ihre Unabkömmlichkeit bis in feinste soziale Vorgänge beweisen soll. Auf diesen Grundsatz läßt sich Politik ohnehin seit Jahrzehnten eindampfen. Sie nahm und nimmt in diesem Fall dem vormaligen gesellschaftlichen Mittelbau die Möglichkeit, sich selbst zu erhalten, um ihn dann - durch Umverteilung - vor dem Niedergang zu retten. 

Damit schafft sie aber vor allem eines: die Abhängigkeit immer breiterer Bevölkerungsschichten von staatlicher Sozial- und Wirtschaftspolitik. In Wahrheit hat man es - weil nur noch definiert über Einkommen - mit einem immer größeren gesellschaftlichen Mittelbau zu tun, der aber zunehmend staatlichem Einfluß unterliegt weil von ihm abhängt. Damit gewinnt sie aber vor allem eines: Einfluß, und damit Macht für Gesellschaftspolitik. Das Anwachsen der Mittelschichte ist genau darin begründet. Während die gesellschaftlichen Randlagen immer dünner werden, nur verändert sich ihre Charakteristik. Denn die Politik schafft nicht nur den Mittelstand "neu", sondern auch die Armut, die Unterschichten.

Auch der Zerfall der Familien, die wachsende Zahl von Ein-Eltern-Familien, hohe Scheidungsraten und der Trend zum Single-Leben haben das Armutsrisiko über die Jahrzehnte erhöht. Auf der anderen Seiten sind Frauen heute vielfach gut ausgebildet und berufstätig. Somit gibt es in vielen Familien heute zwei Ernährer. Überdies sind Frauen somit in der Lage, ihr Leben allein zu meistern, falls eine Partnerschaft zerbricht. Auch dieser Trend kommt der Mittelschicht zugute.

Die Graphik der Welt illustriert das:





Wesentliches Instrumentarium dafür ist eben die erwähnte alleinige Definition von Mittelschichte als Einkommensgröße. Traditionelle Faktoren wie Bildung und Lebenskultur werden bewußt ausgeblendet. Damit schafft man neue Zielgruppen, die in direktem Zusammenhang mit der Politik stehen. Heute sieht sich jeder Beamte, ja bald jeder Empfänger "normalen" Einkommens als Mittelschicht. Damit aber instrumentalisiert sich die Angst, abzustürzen. 

Vor allem also traditionelle Kriterien der Soziologie zur Mittelstandsdefinition - die eine gewisse Eigenfähigkeit zur Generation ihres Lebensunterhalts als Kriterium sahen: Renditen aus Anlagen (was mit "Reichtum" nicht das geringste zu tun hat: die Besitzer von Zinshäusern sind legendär, auf alten Grabsteinen als eigener Stand definiert, wie bei Witwen, die von ihren ererbten Miethäusern gerade mal leben konnten, die aber damit Mittelstand sind), Unternehmenskraft (Handwerksbetriebe, selbst Künstler), Freiheit weil Unabhängigkeit (was eng mit Bildung, also: wirklicher Bildung einhergeht) sowie vor allem ein bestimmtes Verhältnis zu Ethik und Werten hatte (einschließlich des Klerus, ein traditioneller Teil des Mittelstandes; dieses Werteverhältnis wird heute durch "Ökologie", "Klimabewußtsein", political correctness, etc. etc. imitiert und ersetzt) - sind verdrängt worden.

So hat man gezielt der staatlichen Umverteilungspolitik das Merkmal des "Aufstiegs" zugeordnet. Die wahren Mittelstandsschichten aber - in ihrer wahren tragenden Funktion für eine Gesellschaft - sind in Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit devastiert und ihr Beitrag zum Ganzen ausgehebelt worden. Nach traditionellen Kriterien ist ein großer Teil heutiger "Mittelschichten" Proletariat, Unterschicht, mit allen Merkmalen von "Emporkömmlingen", Usurpatoren eines Standes, dem sie nicht angehören. Das ist wichtig im Auge zu behalten, wenn man z. B. die Rolle von Medien oder die Stellung (und Art) von "Bildung" (als im Zertifikationswahn zementierte Standeserhöhung für Massen) erwägt. Auch dieser Begriff wurde fundamental umgedeutet, vom Menschen weg hin auf objektive Ausbildungs-/Fertigkeitsmerkmale verlegt. Bildung wurde zum Korsett dieses gesellschaftlichen Wandels, der in Wahrheit ein Hineinführen in die Erstarrung von Maschinen ist.

Das Anwachsen der Unterschicht heute (nach Einkommen gerechnet) hat hingegen ganz andere Ursachen als die Freiheit des Erwerbslebens und der Lebensgestaltung selbst.

Die Ursache hierfür ist jedoch nicht der Absturz der Menschen aus der Mittelschicht, wie oft alarmistisch behauptet wird. Es ist vielmehr der gesellschaftliche Wandel, der Spuren hinterlässt. So wuchs in den vergangenen Jahrzehnten der Bevölkerungsanteil der Migranten, und vielen von ihnen gelingt auch in der zweiten und dritten Generation der soziale Aufstieg nicht. Versäumnisse in der Integrationspolitik machen sich bemerkbar.

Also greift vor allem die Angstdebatte, die Angst vor dem sozialen Abstieg, welche die Sehnsucht nach dem Eingreifen nach Politik - weil es die Abhängigkeit vom System stärkt. In den heute so genannten und entstandenen Mittelschichten hat das heutige Politsystem seinen eigenen Unterboden geschaffen, als ideale Zielgruppe für ihre Art der Politik.

Und die wachsende Verunsicherung der Mittelschicht bezeugt, dass die Rechnung aufzugehen droht: Wenn es gelingt, in der Mitte Sehnsucht nach einem größeren Sozialstaat zu wecken, dann gibt es eine politische Mehrheit für einen sozialpopulistischen Kurs. In Wirklichkeit jedoch profitiert die Mittelschicht am meisten, wenn der Staat solide wirtschaftet und somit Entlastungen bei Steuern und Abgaben möglich werden.

Der heute längst statthabende Umbau der Gesellschaft, in der wir leben, ist also nicht nur erfolgreich. Sondern er war ein wirklicher Umbau: Die Sozialstaaten haben sich "ihre" Klienten selbst geschaffen, indem sie den traditionellen und naturrechtlichen Gesellschaftsaufbau qualitativ zu Teilen eines Staatsmechanismus verwandelt haben. Damit wird belegt, wovor schon seit Jahrhunderten gewarnt wird - im Anlegen einer Tangente an gesellschaftliche und politische Tendenzen, die mittlerweile ihr Vollgesicht zeigen weil zu einem Insgesamt angewachsen sind. Was einst ein Pflänzchen war, ist heute ein riesiger Baum.





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