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Dienstag, 12. Februar 2013

Kultur stammt nicht aus Sublimation (3)

Teil 3) Wie wäre es mit dem Machttrieb?




Vielleicht aber sind der Haben- und Abwehrtrieb, der Leistungs- und der Betätigungstrieb allesamt als Aspekte eines Machttriebes der Seele zu verstehen? Immerhin läßt sich feststellen, daß auch die Zerstörung eines Objekts im Wesen der Seele liegt. Immerhin hat Nietzsche es so verkündet. 

Gleichzeitig steht ein solcher Machttrieb aber auch im Dienste der anderen genannten seelischen Triebe, schreibt Alexander Pfänder in "Die Seele" weiter. Damit wäre Machtstreben den anderen Trieben untergeordnet, hat keinen Selbstzweck. 

Genauso aber kann es umgekehrt betrachtet werden - dient die Beseitigung von Übeln, das Aneignen von Gütern, dem Machtstreben, das es sehr wohl in der Praxis um ihrer selbst willen zu geben scheint. 

Es scheint also einen ursprünglichen transitiven Trieb im Machttrieb zu geben. Zumindest neben den bisher angeführten Trieben. Immerhin kann er mit ihnen auch in Konflikt geraten. Und wir sprechen in allen diesen Fällen nicht davon, daß diese Triebe bewußt sein müssen. Denn im Gegensatz zu heute häufig anzutreffenden Ansichten, meint Pfänder, daß das Seelenleben keineswegs mit Bewußtheit auch nur annähernd beschreibbar oder eingrenzbar wäre. Und alle diese Triebe, so auch der Machttrieb, sind nicht nur ineinander eng verwoben und mehrdeutig, sondern in ihren Zielungen täuschbar.

Ihn als alleinigen Antrieb der Seele sehen zu wollen, ist aussichtslos. Vieles an der menschlichen Seele läßt sich tatsächlich aus diesem Streben verstehen, vieles in ihm zusammenfassen. Aber eben nicht alles am Menschen wird daraus verstehbar. So wie z. B. die Zielung auf transitives Leben überhaupt, oder die Zielung auf Selbstwert oder auf Macht über sich selbst. Er ist nicht der einzige, quasi grundlegende Trieb im Menschen, es muß noch andere geben.

Es genügt auch nicht einfach zu konstatieren, daß er vorhanden ist. Er muß auch selbstverständlich sein, er muß mehr sein als ein unverständliches Verhängnis, so sehr man in ihn (wie in die anderen Triebe) versunken sein kann. Gerade das beobachtbare Streben nach Macht um ihrer selbst willen zeigt an, daß er nicht aus sich selbst heraus erklärlich ist. Worin sollte ein solche "Machtgeschwollenheit" über etwas Äußeres ein verständliches Ziel sein, worin läge ihre eigentliche Befriedigung? Der Machttrieb ist also eine Tatsache, aber er ist doch noch keine verständliche Tatsache, er muß wiederum etwas haben, dem er dient, er hat in sich kein Maß.

Noch dazu, wo es auch gegenteilige Triebe gibt - so den, sich der Macht anderer Wesen unterzuordnen. Ohne in wäre überhaupt nicht verständlich, worin die macht des Machttriebes läge, dann fände er gar kein Pendant, das sich ihm unterordnete, worin er diese Macht ausüben wollte. Und dann: beide Triebe kommen zusammen (!) in der menschlichen Seele vor, wenn auch in unterschiedlichen Proportionen.

Auch der "Wille zum Leben" (Schopenhauer) kann es nicht sein, denn er ist in den anderen Trieben als "Wille zum leiblichen Leben" eingeschlossen. Er ist auch nicht reflexiv (als letztlich auf das Leben der Seele bezogen) zu sehen, denn er zielt auf etwas Außerhalb ab, gehört also zu den transitiven Trieben. Allerdings kann ein solcher transitiver Trieb nicht nur konstatiert werden, sondern er dient sehr wohl der Präzisierung und Erweiterung des Verständnisses der übrigen Triebe. 

Aber er ist nicht alleine verständlich, er muß mit den anderen Trieben zusammen gesehen werden.  Denn man kann durchaus fragen, warum nicht die menschliche Seele damit zufrieden ist, mit sich selbst, in sich selbst versunken, zufrieden zu sein. Warum sie also nach Äußerem und nach Kontakt mit Äußerem, nach "Anderem" strebt.

Und das ist der Zentralpunkt, warum sich diese fünf Triebe, die bisher angeführt wurden, nicht aus sich selbst - selbstverständlich - erklären: Warum strebt der Mensch in seiner Seele überhaupt nach außen?

Da die menschliche Seele letztlich aber immer nur als Ganze, als Eine auftritt, muß die Lösung dafür also in dem Teil des Seelenlebens liegen, das man als reflexives Seelenleben bezeichnen kann. So sehr transitorische Triebe dem Reflexiven dienen, dieses auch aus ihnen hervorgehen - erschöpfend erklären kann es diesen Bereich der Seele nicht wenn man behauptet, reflexives Seelenleben würde nur dem transitorischen dienen. Denn es gibt reflexive Ziele, die keinen transitorischen Zielen dienen. So z. B. die Gewinnung der Seelenruhe, die durchaus mit dem Verzicht auf die Befriedung der transitorischen Triebe verbunden sein kann. 

Es gibt also Seelenziele, die nur aus der Seele selbst hervorgehen, in der Selbstzuwendung ihre Ruhe finden. Und in diesen reflexiven Seelentrieben  muß auch eine übergeordnete Kraft liegen, denn sie können die transitorischen Triebe definitiv bestimmen, und ihnen ein Maß geben. Ohne daß sie notwendig bewußt sein müssen, und ohne ihnen das Täuschungspotential zu nehmen, dem auch sie unterliegen.



Teil 4 morgen) Reflexive Zielungen der Seele - der Selbstwerttrieb
 
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