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Dienstag, 19. Februar 2013

Kultur stammt nicht aus Sublimation (5)

Teil 5) Der reflexive Leistungstrieb



Nun gibt es über das reine Streben nach Selbstwert ein Streben, das mit der Suche nach Anerkennung in den Augen anderer nicht erklärbar ist - es ist das Streben, aus eigener Leistung Unwerte an sich zu vermeiden, sich mit Werten zu bereichern, schreibt Alexander Pfänder in "Die Seele". Die menschliche Seele will sich nicht einfach bloß wertvoll oder unwertvoll werden lassen, sie will sich auch nicht bloß durch vorschwebende mögliche Selbstwerte und Selbstunwerte bestimmen lassen, sie will auch reflexive, d. h. auf sich selbst zurückbezogene weretvolle Leistungen von sich aus vollbringen. Es gibt also in ihr einen revlexiven Leistungstrieb.

Aus ihm gehen zunächst alle die praktischen Zielungen hervor, die vermeintlich ihn befriedigen können; und von diesen Zielungen wird dann ein gewisser Umkreis des Seelenlebens im Sinne des reflexiven Leistungstriebes bestimmt.

Darin gründet das so häufig zu beobachtende Verhalten, daß Menschen darauf wert legen, als Urheber bestimmter Werte, und als Nicht-Urhaber von Unwerten zu gelten. Selbst, wenn sie keine reflexiven Tätigkeiten dafür aufgewendet haben bzw. sehr wohl an Unwerten mitgewirkt haben.

Aber auch dieser Trieb ist in sich maßlos, er kann also nicht als selbstverständlicher, alles umfassende Trieb angesehen werden. Über die Anmaßung "fremder" Verdienste hinaus, kann er maßlos werden, indem er weit mehr zu erleisten versucht, als seiner Gestalt zuträglich ist. Um so zum buchstäblichen Schöpfer der eigenen Seele und des ganzen Seelenlebens zu werden.

In jedem Fall zeigt er - und der nächste, der reflexive Tätigkeits- und Wirkungstrieb - an, daß sich die Seele erstaunlicherweise nicht damit begnügt, sich von Einflüssen einfachhin gestalten, formen zu lassen. Vielmehr greift die Seele lenkend, hemmend, fördernd, verändernd ein. Das betrifft auch die Wahnehmung, die keineswegs einfach passiv abläuft, sondern gefaßt, angehalten, verändert, angetrieben, gelenkt wird. Meist wacht eine gespannte Zielung, schreibt Pfänder, über dem eigenen seelischen leben, jederzeit bereit, darin einzugreifen und sich wirkend daran zu betätigen. Oft mag das aus anderen Trieben entstammen, aber durchaus geht es dem Seelenleben auch darum, sich überhaupt in der Einwirkung auf ihr Eigenleben zu betätigen. Selbst dann, wenn die Seele eigentlich zur Ruhe gekommen wäre.

Auch das kann entarten, zur Sucht werden. Indem dieser Trieb dazu anhält, ständig zu drücken, zu hemmen, anzufeuern, unabhängig vom wirklichen Zustand der Seele. Als wollte sich dieser Trieb rein selbst genügen, sich seiner Mächtigkeit vergewissern.

Diese Eigenschaftlichkeit ist in besonderer Weise, übrigens, mit häufig zu beobachtendem Verhalten im Internet verknüpft. Und hängt nicht zuletzt mit der Illusion zusammen, das reale Verhalten der Menschen würde real mit dem Internet zusammenhängen. Einer schon mit dem Technikgebrauch verbundenen unausbleiblichen Frustration  folgt die Selbstvergewisserung der Wirkfähigkeit, nicht selten durch Vortäuschung von Aktivität durch virtuelle Aktivität. Ähnliches gilt vom nachfolgend vorgestellten Trieb.

Denn weil er in sich kein Maß findet, braucht auch dieser Wirkungstrieb seine tiefere Gründung, aus der er sein Maß erhält.




6. Teil morgen) Der Trieb nach reflexiver Macht





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