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Dienstag, 26. Februar 2013

Kultur stammt nicht aus Sublimation (7)

7. Teil) Der selbstverständliche Urtrieb der menschlichen Seele - 
Der Trieb zur Selbstauszeugung




Entgegen häufiger Behauptungen, daß der Mensch, so wie alles Lebendige (das ja alles auch eine Seele, wenn auch unterschiedicher Art hat), sich im bloßem "Überlebenstrieb" erklären ließe, zeigt Alexander Pfänder in "die Seele", daß dies keineswegs ausreicht, um das tatsächlich beobachtbare Verhalten der Seele aus einer Wurzel heraus zu erklären. Ja im Gegenteil. Das bloße Überleben selbst ist lediglich eines der Mittel, deren sich die Seele in ihrem Bestreben, sich zur Fülle auszuzeugen, bedient. Und es ist keineswegs das einzige oder hauptsächlichste Ziel des Menschen.

In ihm finden alle anderen Triebe ihr Maß und ihren Sinn, hier schließen sich erst und endlich die Kreise. Er befeuert das Seelenleben zu seiner Vielfältigkeit und Komplexität. Sämtliche übrigen Triebe lassen sich aus ihm heraus als Partialtriebe verstehen, die einem einzigen Gesamtziel dienen. Dem Ziel der Seele, sich ihrem Wesen gemäß in die Welt hinein zu entfalten, ins Fleisch hinein genauso, wie im Weg zu sich selbst, in der Reflexivität. Umgekehrt verlieren alle Partialtriebe - die dann als Mittel zu sehen sind - ihr Maß und ihr Ziel, wenn sie aus diesem aus sich heraus alles einenden Urtrieb heraustreten.

Geht man noch einen Schritt weiter, so läßt sich alles Lebendige in einem Stufenaufbau erfassen, wo das Physische im Psychischen integriert ist, und dieses wiederum im Geistigen, wie beim Menschen konkret, sodaß das je Höhere (als Übergeordnetes Prinzip) das je untere in sich einschließt und nach ihren Prinzipien prägt. Was heißt: Zur Vollauszeugung in gewisser Hinsicht prägen sollte, weil unausbleiblich ohnehin prägt. (S. u. a. der Entelechiegedanke bei Hans André, "Die Einheit der Natur") Es gibt den Menschen also nicht, der keine geistige Weltanschauung hätte. Es gibt aber den, der sie nicht kennt oder kennen will.

Und hier, aber auch genau hier, schließen sich somit die Kreise des Konkreten, Dinghaften, zur Metaphysik des Seins überhaupt. Denn selbstverständich fällt das menschliche Dasein, die menschliche Seele, in ihrem Wesen und in ihrem Sinn nicht aus dem Wesen und Sinn des Daseins der Welt überhaupt heraus.  Erst wenn - und in dem Maß und in der Art, wie man es tut - man das Wesen des Seins überhaupt, das Wesen aller Dinge begreift, erschließt sich auch das Wesen des menschlichen Seelenlebens, wird es verstehbar. Denn das Wesen der Welt IST Selbstauszeugung. Dieser Grundzug läßt sich allem Seienden, allen Dingen, allen Sachen letzterklärend, aber letzterhellend, beimessen. Erst wenn man weiß, versteht, was die Welt überhaupt ist und soll, versteht man auch den Menschen.

Alle, und gerade die heute geläufigsten, Erklärungsversuche und Sinnmodelle des Menschen gründen deshalb in einer Art und Weise, die Welt - das Seiende als Sein - überhaupt zu sehen. Ob sie das explizit wissen und ausdrücken, oder nicht (was am häufigsten der Fall ist). Wird hier schlampig, fehlerhaft gedacht, zerfällt alle übrige Erklärungsmöglichkeit, wird bruchstückhaft und ungenügend. Gustav Siewerth schreibt deshalb völlig zurecht, daß wenn die Ontologie der Philosophie versagt, einerseits die tiefsten Rätsel des Seins unverständlich werden (ausgehend ganz konkret vom Wesen der Dreifaltigkeit, das ohne Chance auf Verstehen bleibt), so wie sich in diesem unauflöslichem Zusammenhang aller Stufen des Denkens - wo die Erstprinzipien alle übrigen Gedanken formieren und bedingen, ja in einer gewissen Zwangsläufigkeit, Logik zueinander stehen - auch die konkreten Dinge der Welt verschließen.*

Darein reihen sich dann auch weitere Beobachtungstatsachen - wie die, daß alles was ist, auch und vor allem ein Sein für die anderen ist. Und erst in diesem "Sein für" ein "Sein für sich". Womit auch jene Grenzen berührt werden, wo der Mensch, seine Seele, selbst zum Geheimnis wird. Ohne in Irrationalität oder "Unverständlichkeit" zu versinken. 

Und damit schließt sich diese kleine Artikelserie, die natürlich nicht beansprucht, in jeder Hin- und Rücksicht ausgeführt zu sein. Sie konnte und wollte nur anreißen, zu einem kleinen Überblick zusammenfassen. Zeigen, daß hier, und genau hier, Sinn und Wesen von Kultur beginnt. Als Ausfluß wie Kontur menschlicher Gestalt, der Frucht der Selbstauszeugung der Ideen Gottes, der diese Ideen auch ist. Und in deren ohnendlicher Realität unser Personsein als Geschöpf gründet. Das im Zueinander von für-sich-Stehenden Entelechien das immer je aktuelle und darin geschichtliche Gesicht einer Kultur darstellt. Entfernt sich also eine Kultur vom Sein selbst, so fällt sie in sich zusammen. Umgekehrt lebt sie erst und nur aus der Selbstauszeugung der Menschen. Denn es gibt keine inhumane oder "andere" Kultur, so viele Scheinformen von Kultur es geben mag. Es gibt nur eine Kultur, die sich in dieser Grundwesenheit des Lebendigen verfehlt, und damit zum Tode zerfällt.

Völlig zum Gegenteil also von Freud ist Kultur kein Produkt eines Staus von Trieben "niedrigerer" Qualität zugunsten höherer Tätigkeit, sondern überhaupt nicht aus Triebstau erklärbar. Vielmehr kommt es auf das vom Ich, der zentralen Mitte her definierte Zueinander und auf die richtige, dem jeweiligen Individuum gemäße, also von Mensch zu Mensch verschieden gewichtete Entfaltung und Bewahrung vor Entartung (Maßverlust durch Loslösung vom zentralen Ich) aller Strebungen im Dienste einer zentralen Aufgabe: Der Selbstauszeugung, der Entelechie.

Kultur ist also kein Ersatzprodukt beengter quasi untermenschlicher Natur. Sie ist die Vollendung der Zielung aller Natur, auf all ihren Ebenen. Die in ihrer Entfaltung sohin graduell mehr oder weniger, je  nach Seinsstufe ausdifferenzierte, vollkommenere Abbildhaftigkeit Gottes wird. In dessen Einem, dem Sein, das alles umfängt und als Akt erhält, sie ihre Einheit findet, Ecclesia wird.






*Es gibt deshalb keine, und zwar wirklich keine Psychologie, die nicht eine Weltanschauung und eine religiöse Haltung wie Entscheidung zu ihrer Grundlage haben. Es gibt deshalb auch keine psychologische oder psychoanalytische Methode, die NICHT metaphysische Modelle und Vorentscheidungen zur ihrer Grundlage hat, und in ihrem Sinne auf eine "Lösung" hinarbeitet und ausgerichtet ist. Das zeigt das ganze Elend der heutigen praktischen Psychologie auf. Die diese Tatsache noch dazu häufig verweigert, und damit ihre eigenen Grundlagen - aus den unterschiedlichsten, selbst psychologisch untersuch- und verstehbaren Gründen - unbewußt und ununtersucht läßt. Sodaß die Psychologie in den allermeisten Fällen der Gegenwart (es gibt nur ganz wenige in dieser Hinsicht verdachtsfreie "Methoden", sofern das überhaupt Methoden sind) subjektives Mittel zu subjektiven Zwecken der Psychologen selber wird.






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