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Montag, 18. Februar 2013

Niemand zahlt keine Steuern

Deutschlands Staatshaushalt wird 2012 ausgeglichen, sogar mit einem kleinen Plus von 0,1 % abrechnen können. Dies ist vor allem den gestiegenen Steuereinnahmen zuzurechnen, die mit 552 Milliarden Euro so hoch wie noch nie waren, berichtet Die Welt

Davon waren 433 Milliarden gemeinschaftliche Steuern, etwa Lohn- und Umsatzsteuereinnahmen. Die Einnahmen aus reinen Bundessteuern (zum Beispiel Energie- und Tabaksteuer) lagen bei knapp 100 Milliarden Euro, die Landessteuern (etwa Erbschaft- oder Grunderwerbsteuer) bei 14 Milliarden Euro und die Zölle bei knapp fünf Milliarden Euro. Reine Gemeindesteuern sind in der Aufstellung noch nicht enthalten.

Die Lohnsteuereinnahmen allein legten dank der guten Beschäftigung um 6,7 Prozent auf knapp 150 Milliarden Euro zu. Die Umsatzsteuereinnahmen kletterten dank der guten Binnenkonjunktur um 2,4 Prozent auf fast 195 Milliarden Euro.

Der Bund verbuchte damit im vergangenen Jahr Einnahmen von 256 Milliarden Euro – 3,4 Prozent mehr als 2011. Die Länder strichen 236 Milliarden Euro ein, was einem Plus von 5,4 Prozent entspricht.

Das an dieser Stelle soll einmal mehr zeigen, daß die Lohn- und Einkommenssteuern zwar in der Wahrnehmung der Bevölkerung meist das sind, was als "Steuern zahlen" bezeichnet wird. In Wahrheit aber machen sie nur ein gutes Viertel der Steuern. die von Bund, Ländern und Gemeinden eingehoben werden, aus. Die restlichen drei Viertel an Steuereinnahmen entstehen aus anderen Titeln, die durchaus dann auch jene zahlen, die "keine Steuern" zahlen. 

Alleine das plakative Beispiel der Treibstoffe, die mit einer Steuerbelastung von bis zu 57 % der Verkaufspreise herausstechen, zeigt die Verzerrung, an der Diskussionen und Wahrnehmung oft leiden. Nach wie vor sind es für die Verbraucher die Konzerne und Ölstaaten, die "schuld" an den hohen Benzinpreisen sind. Wenn nicht gar der Tankstellenbetreiber, der in der Regel von knapp 2 % des Verkaufspreises leben muß. Daß Benzin in den USA (oder Rußland) etwa nur halb so viel kostet wie in Europa hat also vor allem mit den geringeren Steuern zu tun, die in diesen Ländern darauf erhoben werden. Und das ist in Volkswirtschaften, die wie heute in so hohem Maß von Transport abhängen, nicht ohne Belang.

Noch schlimmer ist es bei Tabak, bei dem der Staat bis zu 90 % des Verkaufspreises einsteckt. Die Diskussion um die Gesundheitsgefährdung und die sozialen Folgekosten dient zu einem guten Teil nur der scheinbaren Rechtfertigung dieser besonders perfiden Steuern. Weil Rauchen eine Gewohnheit ist, die sich sehr tief ins tägliche Bedürfen frißt, und deshalb den Rauchern als Steuerzahler nur wenig Wahl läßt. Steuern auf Tabak sind also wie bei Treibstoffen eine Fortführung des Prinzips, daß Produkte, die sehr sicher benötigt werden, auch besonders hoch besteuert werden.

Ein weiterer Punkt ist der Zusammenhang Inflation und Steuern. Denn selbstverständlich erhöhen sich mit einer Inflation auch die Steuereinnahmen. Neben der an sich staatsentschuldenden Wirkung von Inflation, ist dieser Umstand für den Schuldendienst eines Staates als zweiter Hebel gleichfalls von Relevanz.

Das relativiert insofern die direkten sozialen Ausgaben eines Landes, als für jede 100 Euro Sozialgelder 40, 50 % und mehr ohnehin wieder zurückfließen. Wenn an dieser Stelle der Sozialstaat an sich angegriffen wird, so sind die direkten Sozialausgaben also nur ein Teil der kritisierten Zustände, ja oft nicht einmal der relevantere Teil. Vielmehr geht es um die Politik, die in das gesellschaftliche Gefüge auf verschiedenste Weisen eingreift, und dabei sind in erster Linie pädagogische Wirkungen gemeint.*

Die zu einer veränderten Wahrnehmung, ja Wirklichkeitsferne des Lebensvollzugs der Menschen führen. Wo der Staat Wirklichkeitsfaktoren selbst eliminert, simuliert und übernimmt, verankert er die tiefe Seinsfundierung im Äußeren, in Systemen, in Rechten und Ansprüchen. Damit wird tendentiell schwer verhindert, daß sich die Menschen wirklich in sich selbst verankern. Sie werden hörig und benützen bereitwillig die vorhandenen Rechtfertigungssysteme, um sich im Dasein abzusichern. So wird ihre Distanz zum Sein selbst immer größer und in Wahrheit angstbeladener. Ihr Leben hängt ein einem Netz der Scheinsicherheit, das zu erhalten ihr größtes Anliegen wird.

Er abstrahiert das subjektive ethische Verhalten der Menschen, indem er es zu einem objektiv-technischen Ablauf macht, und ent-ethisiert damit seine Bevölkerung. Dabei beident er sich er gerne angenommenen Versuchung, dem Ich jedes Einzelnen die Mühe der Selbstwirklichung zu ersparen, indem er diese Selbstwerdung scheinbar auch ohne Mühe verspricht. Das passiert noch weit mehr durch Steuerungsversuche des sozialen Lebens und Wertegefüges, der Bildungssysteme und Anschauungen, als durch direkte Sozialmaßnahmen bzw. -hilfen an sich.

Und sie sind es letztlich ja auch gar nicht, die ihn finanziell so hoch belasten, wie oben bezeigt wird.** Es sind vielmehr die viel tiefer gehenden, in den Selbsten der Bürger verankerten Scheinnetze, die für eine Gesellschaft nicht finanzierbar sind und zu einer Irreführung ganzer Kulturen in der Wahrnehmung führen. Die Selbstauszeugungen kompletter Gesellschaften, ganzer Völker, werden unecht, aufgepfropft und selbstverfehlend.

Dort sind wir heute angelangt.





*Die Diskussion in einem Sozialstaat wird ja fast immer falsch geführt. Und fast immer bewußt falsch geführt, als schizoide Verwirrung des Diskussionsgegners. Denn es geht in vielen Fällen keineswegs darum, ob ein Mißstand besteht, oder es nicht besser wäre, wenn er nicht bestünde. Es geht darum, ob es Angelegenheit und Recht des Staates ist, ihn zu beheben. Im Wesentlichen richtet der Sozialstaat durch Behebung von Mängeln also mehr Schaden an, als sein Eingreifen nützt: er eliminert nämlich überhaupt die Selbstregelungskraft der Menschen und Organismen, in denen sie leben, um ihre vermeinten Mängel zu beheben, sodaß er nach und nach diese Organismen selbst simulieren muß.

**Auch das zeigt die perverse Schizoidität der Argumentation der Sozialstaatsparteien. Die die Diskussion über den Sozialstaat gerne auf Kostenproblematiken und Aufbringungs- und Verteilungsprobleme verschieben. Denn OBWOHL die Kosten direkter Sozialmaßnahmen (die sich Sozialpolitiker so gerne an die Brust hängen) weit weniger budgetbelastend wirken, als oft angenommen, sind sie in fast allen Fällen ein unzulässiger Mißbrauch der Staatsmacht.




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