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Freitag, 22. Februar 2013

Wucherungen (1)

Die Welt veröffentlichte jüngst eine Gehaltsstatistik, aus der hervorgeht, daß es weit über 4.000 EU-Beamten in Brüssel gibt, die mehr als die deutsche Bundeskanzlerin, weitere 1.760, die mehr als der deutsche Bundespräsident, und weitere 37.400, die mehr als Bundestagsabgeordnete verdienen. Denn die Steuersätze dieses Eigengebildes EU mit seinen 45.000 Beamten liegen auch noch deutlich unter nationalen Einkommenssteuern.





Nicht eingerechnet sind dabei jede Menge "Zusatzgeräusche", Spesen und Zulagen, die für einen guten Teil der Brüsseler Beamten höhere Netto- als Bruttogehälter bedeuten, wie die Bild-Zeitung berichtet. Daß solche Entlohnung natürlich besonders niedrige Sozialabgaben und großzügige -regelungen nach sich ziehen, liegt auf der Hand.

Wie die EU selbst das sieht? Sie brauche doch die Besten. Also müsse man auch entsprechend zahlen. So kann man es auch sehen - daß die EU vor lalem jene holt, die ihren Zwecken am besten dienen. Trösten wir uns somit: über uns wachen in Brüssel tausende Staatssekretäre und Ministrable.* Und alle Mär über Politiker, die weil sie im jeweiligen Inland scheitern, nach Brüssel auf Versorgungsposten weggelobt werden - umoveatur ut amoveatur - ist pure Verleumdung. 

Was mit Menschen charakterlich passiert, die zu viel verdienen, deren Selbstwertgefühl über nicht ihrem wahren Grad des Selbstbesitzes als Mensch entsprechende Gehälter aufgetrieben wird, kann man im Alltag hinlänglich beobachten. Man braucht sich nur umzublicken. Politisch-ideologische Zielsetzungen haben die notwendige Entsprechung von Weite der Persönlichkeit und Weite der Mächtigkeit (die sich auch in Geld ausdrückt) der konkreten Lebenskreise völlig ausgehebelt. Aber hinter diesen Charakterlandschaften steht die Bewegungsmacht von 1 Billion Euro (EU-Budget), schreibt die FAZ. Das liegt der Größenwahn auf der Fensterbank. Was sollte solche Menschen hindern sich berufen zu fühlen, ganz Europa zu verändern?

Diese Erscheinungen sind natürlich keineswegs auf Brüssel beschränkt. Sie stellen sich hier nur markanter dar. Sie sind ein Krankheitsbild ganz Europas. Mit der fatalen Folge, daß der weit überwiegende Teil der Bevölkerungen Österreichs und Deutschlands zu viel verdient, während ein kleinerer Teil zu wenig oder gar viel zu wenig verdient. Denn der heutige Mensch verdankt sein Einkommen abstrahierten Rechenmodellen, nicht dem Zueinander von individueller menschlicher Gesamtwirklichkeit (auf welchem Grundsatz erst das entsteht, was "freier Markt" genannt wird).

Unser gesamtes Wirtschaftsgefüge wird bzw. wurde dadurch bis in die Branchenverteilung hinein in eine abstrakte technizistische, nicht mehr in sich stimmige Richtung verschoben. (Jüngstes Großbeispiel: Die "Energiewende".) Getrieben noch dazu von einem Verhalten, das dem von Dieben analog ist (ohne hier natürlich Menschen auf diese Weise direkt zu inkriminieren, sie sind meist nicht einmal "schuld" an ihren hohen Einkommen, nützen lediglich die Gelegenheit). 

Der Umgang mit Geld hat so mit einem Geschehen, in dem Menschen mit Bedarf in den Produkten wie in ihrer Hervorbringung schöpferischen Wirklichkeiten begegnen, nichts mehr zu tun. Sehr viel Geld wurde damit nie Eigentum in seinem eigentlichen Sinn, als gewissermaßen ausgelagerter, entsprechender Teil der Persönlichkeit, die das Außen mehr oder weniger weit ergriffen hat. Es ist Eigentum nur dem Namen nach, und muß gesetzestechnisch entsprechend abgesichert werden. Als technisches Mittel von Menschen, die lediglich die Bedienungsanleitung "Geld" gelesen und mehr oder weniger gelernt haben. Das ihnen bloß über die Anwendungsklugheit mehr Macht zur Bewegung des Außen einräumt, als ihrer Reife entspricht. Das sie deshalb als Charaktere verdirbt.

Ein Merkmal überhaupt dieser Zeit, das systematisch durch die Technik dem kleinen Geist große Hebel überantwortet. Ja, meist steckt hinter der Hauptlosung vieler - Demokratisierung - gar nicht mehr als die Unbotmäßigkeit kleiner Kinder, die nach der Fernbedienung der Welthebel schreien. Und das in ganz konkreter Weise durch die Einkommenssituation der Menschen diese in Möglichkeiten versetzt, die sich dahingehend auswirken, daß das Kleingeistige die großen Wirkungsebenen bestimmt. So, wie man einem Fünfjährigen einen Herkulesarm überläßt, mit dem dieser dann seinen Willen durchsetzen kann. Was sich darin deutlich zeigt, daß diejenigen, die die Folgen wirklich zu tragen haben, sehr wohl sehr substantiell in der Pflicht bleiben.*

Als Gegenreaktion beginnt die Politik Lüge und  Manipulation als Notwendigkeit zu sehen. Medien, die (durch die Technik umgewandelte, abstrahierte, nur noch daran schwach erinnernde) Agora der Antike, das Althing der Germanen, Nachfolge und Ersatz der Marktplätze und Bäder, werden politisch essentielle Instrumente.



Teil 2 morgen) Warum sie sich beeilen,
ihre Schäfchen aufs Trockene zu bringen




*Vielleicht interessiert den geneigten Leser in diesem Zusammenhang das im Netz kaum noch aufzutreibende weil wegen "Urheberrechtsverstößen" sorgsamst (aber doch noch nicht lückenlos) entfernte Video (bzw. über dieses Link) über die Arbeits- und Entlohnungsmoral in Brüssel.

**Das eigentliche Thema von "Atlas shrugged" von Ayn Rand, übrigens. Bei allen Fehl- und Schieflagen, die Rand's Philosophie sonst hat, drückt sich in ihren Werken genau diese (berechtigte) Wut aus. Daß in einer Zeit allgemeiner Unanständigkeit selbstverständlich und in gesetzlich bemerkenswert klar artikulierten Ausnützungs- und Enteignungsverhältnissen die immer weniger werdenden Substanzträger die Last dessen zu tragen haben, was andere in ihrem Rausch anrichten. Dabei sind sie es - auch und gerade heute - denen die Gesellschaften es verdanken, daß sie nicht abstürzen. Der Schwanz wedelt auch bei uns längst mit dem Hund. Und wenn es eine hervorstechendes Merkmal des heraufziehenden Neuzeit gibt, so ist es das, daß Fortschritt und Machtgewinn durch jene kam, die auf Anstand pfiffen, es nur verstanden, die Substanz anderer auszunützen. Napoleon ist ein illustratives Beispiel dafür. Sie sind es auch, die bedenkenlos Technik implementieren. Von der die Menschheit in ihrer Geschichte immer wußte, daß sie zum Mittel der Unanständigkeit wird, die Welt letztlich destruiert, und deshalb nur höchst vorsichtig und begrenzt einzusetzen ist. Nicht Mangel an Wissen hat den Menschen der Antike gehindert, technizistische Gesellschaften aufzubauen, sondern Mangel an Niedertracht, die Welt derartig ihres Wesens und ihrer Würde zu berauben. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Prometheus-Mythos zu lesen: nicht als Held, wie es heute meist getan wird, sondern als wahrer Übeltäter.

Diese Tendenz aber, diese in Tat umgewandelte Wut (über eine tatsächliche Ungerechtigkeit, keine Frage) bedeutet das Aufkündigen des Staatsganzen, sein wirklicher Zerfall, der ein Zerfall der Solidarität ist, des pars pro toto. Und solche Tendenzen zeigen sich heute in vielfacher Hinsicht, und an Enden, wo man es nicht vermuten würde. So im Kommentar von Robert Menasse zum Ausgang der Abstimmung über das Bundesheer in Österreich, wo sich die Bevölkerung gegen ein vorgeschlagenes Berufsheer, für die allgemeine Wehrpflicht entschied. Menasse fordert aus dem Umstand, daß sich Ältere für die Wehrpflicht, Jüngere eher für das Berufsheer entschieden, daß nunmehr auch die Älteren durch Pensionskürzungen bezahlen sollten, was die Jungen ohnehin ablehnten. Menasse hätte damit aber gewaltigen Erklärungsbedarf, was er unter Demokratie - die sonst in seinem Munde in goldenen Lettern glänzt - überhaupt versteht.

Wobei uns das aus seinem Munde eben gerade nicht überrascht. Denn Fazit seiner monatelangen (übrigens von ausreichenden Subventionen getragene) Befassung mit der EU in Brüssel selbst war eine nachlesbare Stellungnahme, in der er die EU begeistert akklammierte, ja ein bedingungsloses Ja zur Zentralisierung Europas aussprach, WEIL sie als josefinischer, aufklärerischer Überstaat auftritt. 






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