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Freitag, 8. März 2013

Platzzuweisung ist Schöpfung

"Der Mensch muß vorgestellt werden. Früher wurde auf der Dorfhochzeit das neue Ehepaar der ganzen Gemeinde vorgestellt. Denn man kann sich ja nicht selber der Gemeinde an den Hals werfen. [Denn das Seiendsein BEGINNT mit dem Namen, sie erst machen die Dinge, die Welt; Anm.] In jede gesunde Gesellschaft wird man eingeführt und vorgestellt, weil ja das Leben weitergeht als eine Kette von Vorgestellten."

"Im Sprechen kommt es nicht darauf an, was ich mir denke, oder auch nur, was ich sage, sondern darauf kommt es an, wie wir uns gegenseitig anreden*. Wir sprechen gar nicht, wie die Semantiker beahupten, um etwas zu verstehen. Wir sprechen, damit der andere sich versteht durch die Art, wie wir ihn ansprechen, und wir uns selber durch die Art, wie er uns anredet. [...] Denn dazu ist das Sprechen in die Welt gekommen, daß deine Vorstellung von mir und meine von dir uns an unsere rechten Plätze im Weltall stellt.

Das gegenseitige Ansprechen bei Namen wie Vater, Mutter, Bruder und Schwester ist die Schaffung eines gemeinsamen Lebens. Und dazu sprechen wir. [...] Eine Million Worte sind sinnlos, wenn der, zu dem sie gesprochen werden, nicht weiß, in welchem Namen er angesprochen wird."


Eugen Rosenstock-Huessy, in "Die Übermacht der Räume"


Und nur so, im Ergreifen eines Namens, vermag der Mensch sich zur Welt zu verhalten. Nur "als" jemand vermag er Information als solche zu erkennen. Nur so geht ihn die Welt, der er begegnet, überhaupt etwas an, und nur soweit sie ihn etwas angeht, reagiert er auf sie. Diesen Namen aber kann man nur erhalten. Wer versucht, sich selbst zu definieren, wird sein Leben lang den anderen hinterherlaufen, um sie dazu zu bringen, ihn bei diesem Namen anzusprechen. So lange wird er nur versuchen zu beweisen, daß er ihm zustünde. Womit wir mitten im Wurzelproblem der Gegenwart sind: als verbürgerlichter Gesellschaft. Denn das Bürgertum hat keinen Namen erhalten. Es hat ihn sich selbst gegeben.

Die Welt begann mit "Es werde Licht!" - Die Welt beginnt mit dem Vokativ, dem Befehl, dem Ruf. Das Ich ist Konjunktiv. Erst als Angesprochener wendet sich der Mensch um. Weil er nun erst "Mensch", weil er Adam ist, jetzt erst sein kann, ein Selbst aufbauen kann.** 

Nur Gott selbst kann seinen Namen offenbaren, als "Der der isset", nur er kann kein Zeugnis von Menschen annehmen. Aber das Geschöpf muß zu seinem Dasein (einem dem Rufenden wie Gerufenen einenden Bilde, einer Idee gemäß) gerufen werden.***






*Wer je Neid erlebt hat (und wer hätte das nicht) weiß aus Erfahrung, daß diese "Hauptsünde des Platzes in der Schöpfung" im Namen kulminiert, mit dem der andere anzusprechen wäre. Mit dem ich ihm seinen Platz zuweise, sodaß er dort leben kann. Dort beginn der wirklich existentielle Kampf, durch Ignoranz, durch Ironie, durch Verweigerung. Denn im Namem ist die gesamte Selbstentfaltung des anderen Lebens ermöglicht. Oder verhindert. Die ganze Menschheitsgeschichte ist deshalb vor allem eine Geschichte des Kampfes um NAMEN. In einer aufgelösten Gesellschaft wie der unsrigen ist deshalb der "Anspruch auf einen Namen" Hauptzielung geworden. Wird er mir nicht mehr kraft Familie, Herkunft, soziales Umfeld in dem meine Herkunft ihren Platz hatte und hat, zugesprochen, versuche ich einen Namen zu legitimieren, herbeizuzwingen. Durch "Befähigungsnachweise", durch Facebook-Profile, etc. etc., in denen sich der Glaube an neue weltschöpfende Mächte ausdrückt. Deshalb berühren ja die social media das Thema NEID so stark. Das ganze Thema LÜGE dreht sich um die Autorität von Namen. Genauso wie die Liebe. Und weist hinein in die Macht der Verleumdung, oder der Autorität in der Interpretationshoheit durch mutterschoßgebundene Konstellationen.

**Es seien hier die Arbeiten des (nihilistischen) Psychoanalytikers Jacques Lacan erwähnt. Sie drehen sich, soweit der Verfasser dieser Zeilen das aus heutiger Sicht erkennen kann, im Kern um genau dieses Problem. Hier wird also keine verstiegene Spinntisiererei abgehandelt, es geht um sehr real wirkende, wirkliche Angelegenheiten.

***Die Tragweite des Genderwahnsinns wird meist unterschätzt. Weniger in dem, was er positiv bewirken kann - hier wird er in seinem Größenwahn, seiner schaffenden Wirkkraft völlig überschätzt: eine neue Geschlechterwirklichkeit zu schaffen ist unmöglich, weshalb Gendering unausbleiblich zum Fanatismus führt - als in dem, was er tatsächlich verhindert. Er wird, weil er so tief am Menschen ansetzt, jedes kulturelle Leben regelrecht zum Erlöschen bringen. Dafür aber irrationale Kräfte zum Ausbruch bringen, vor denen uns heute bereits grausen darf.




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