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Mittwoch, 10. April 2013

Wahrheit als Feind (1)

Der Wiener Professor an der Wirtschaftsuniversität, Franz Hörmann, darf, wie man der Presse entnimmt, nun wieder unterrichten. Zumindeset wurde seine Suspendierung aufgehoben. Hörmann war im Frühjahr 2012 wegen "dringenden Verdachts auf Verstöße gegen das Wiederbetätigungsgesetz" suspendiert worden. Das eingeleitete Strafverfahren war bereits im Mai 2012 (!) eingestellt worden. Ein Disziplinarverfahren ist allerdings noch anhängig.

Was war passiert? Noch dazu - von einem Linken? Denn das ist Hörmann, und er hat nie ein Hehl daraus gemacht. Leser dieses Blog werden sich vielleicht an ihn erinnern, denn er war hier bereits mehrfach zitiert worden. Denn Hörmann hat durchaus eigene Gedanken zu Wirtschaft und Finanzkrise (u. a. fordert er eine Abschaffung des Geldes, ein Gedanke, den der Verfasser dieser Zeilen für falsch, ja eigentlich dumm hält), denen man nicht beipflichten muß, die aber eben eines sind: originär und originell. Hörmanns Ansatz ist aber deshalb interessant, weil er von einem "inneren Wert" des Geldes ausgeht. Und nachdem sein Spezialfach Bewertungsfragen in Bilanzen sind, hat er dazu einiges zu sagen, das die Blendfassaden, mit denen wir uns meist herumschlagen, in ihrer Dürftigkeit entlarvt.

Aber Hörmann ist Rationalist. Und das führt in diesem Fall, dem Fall der Wiederbetätigungsvorwürfe, wo es um den Begriff des Wissens geht, zu einer interessanten Konstellation. Denn hören Sie, was (der "linke") Hörmann gesagt hat, und sagt, die Presse sei zitiert:

Hörmann, der auch als Aushängeschild der österreichischen "Occupy"-Bewegung gilt, war nach einem (unveröffentlichten) Interview, das drei WU-Studenten für die Uni-Zeitung "Standpunkte" geführt hatten, in den Verdacht geraten, NS-Wiederbetätigung zu betreiben. Die Frage des Genozids zur Zeit des Nationalsozialismus sei "nicht endgültig geklärt, weil es keine objektive und ideologiefreie Diskussion über diese Frage gab", zitierte der Standard aus dem "Interview". Und weiter: Er habe "keine Meinung zu Gaskammern". Er könne nicht wissen, ob es Gaskammern gegeben habe.

Den Vorwürfen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung kontert Hörmann mit seinem originären "Wissensbegriff": Da er weder Historiker noch Zeitzeuge sei, könne er aus rein logischen Gründen nicht behaupten, selbst von der Existenz der Massenvernichtungslager zu wissen. Dem Wissen anderer zuzustimmen sei dagegen ebenso möglich, wie daran zu "glauben", so Hörmann. "Wir wissen..." und "Ich glaube..." sei daher zulässig, "Ich weiß..." könne er allerdings nicht sagen.

Natürlich zeigt sich darin eine rationalistische Auffassung von "Wissen", die der Verfasser dieser Zeilen nicht teilt. Aber hier schlägt sich gewissermaßen der Zeitgeist mit seinen eigenen Waffen, und das macht Hörmanns Stellungnahme so interessant.

Gerüchten zufolge haben ihn ja eben jene Studenten zu Fall gebracht, die bei diesem Interview ein Tonband laufen ließen, und ihn dann angezeigt haben, das Interview aber nicht veröffentlichten. Was zu einem Artikel im Standard überleitet, den auch ein Student verfaßt hat, nämlich Onur Kas, seines Zeichens Student der Politikwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. Den Artikel zu lesen lohnt, gerade weil er so selten dumm ist, und es lohnt die Postings, die Leserreaktionen zu überfliegen.

Zusammen mit dem "Fall Hörmann" beleuchten sie nämlich, warum es sein kann, daß (wie es heißt) eine Studie ergeben hat, daß 42 % der jungen Menschen (!) in unseren Ländern heute die Auffassung vertreten, es sei zur Zeit des Nationalsozialismus "nicht alles schlecht" gewesen.

Artikel wie Postings aber zeigen, daß dem heutigen Zeitgeist jede Voraussetzung fehlt - offenbar auch in der Lehre an den Universitäten - um das Phänomen Nationalsozialismus zu verstehen. Stattdessen wird seine Ablehnung (und die per Gesetz festgehaltene Pflicht, ihn abzulehnen, s.o.) an einem Verhalten festgemacht, das ein Schriftsteller einmal so bezeichnete: Es sei nötig, die Geschichte dieser Zeit durch den Vorhang von Auschwitz zu sehen, nur dann könne man sie beurteilen.

Sehen Sie, geneigter Leser, genau das glaubt der Verfasser dieser Zeilen nicht. Und er glaubt auch keineswegs, daß solche Studienergebnisse mit mangelnder Erinnerungskultur oder Bildung oder zu wenig "Information" über staatliche Rundfunkanstalten zu tun hätten, oder damit, daß das Thema "verdrängt" würde. Mitnichten und -neffen. Hier zeigt sich etwas viel Grundsätzlicheres.

Wer in Österreich, und gewiß in Deutschland nicht anders, Kinder durch den Schulprozeß hat laufen lassen (müssen), wird ein Lied davon singen können, in welchem Ausmaß dort Indoktrinierung stattfindet. Indoktrinierung, mit der es keinem Schüler möglich ist, den "Greueln" des nationalsozialismus auszuweichen, sie zur Kenntnis zu nehmen. Besuche im ehemaligen KZ Mauthausen sind da nur das Tüpfelchen am i.  An zu wenig Information kann es also ganz sicher nicht liegen!

Zur weiteren Beleuchtung sei auf den bemerkenswerten Tenor in den Postings im Standard hingewiesen. Der da genau das Ergebnis der Studie widergibt. Daß es nämlich natürlich nicht richtig sei, "alles" am Nationalsozialismus zu verdammen, nicht alles an ihm sei schlecht gewesen. Es hätte eben auch gute Seiten gegeben - nämlich Wohlstand und Vollbeschäftigung. Nur der Preis dafür sei zu hoch gewesen, eben: Auschwitz und Mauthausen.

Der Nationalsozialismus wurde und wird eben in seiner Gesamtbewegung (eine Ideologie im eigentlichen Sinn ist er nämlich nicht, bestenfalls ein wirres Konglomerat an IdeologiEN) nicht verstanden, und deshalb wird heutigen Menschen auch niemals klar, was zu Auschwitz geführt hat. Das nicht eine nicht mehr zulässige Grenzüberschreitung gewesen ist, sondern aus dem Wesen des Nationalsozialismus tatsächlich direkt hervorgeht. Aber dieses Wesen ist eine Richtung unserer kulturellen Entwicklung, die ungebrochen anhält. Der Nationalsozialismus, Auschwitz, lassen sich nicht verstehe, indem man einzelne Phänomene diabolisiert und für alle Zeiten als "zu Meidendes" einfriert. Und alle Aggregate der Welt einsetzt, um die Kühltemperatur niedrig zu halten. 

Er ist eine Geisteshaltung, die nichts damit zu tun hat, daß die Bevölkerung (als im moralischen Sinn verwerflich:) "rechts" wurde oder ist, weil sie sich (auch das entstammt dieser Studie) "einen starken Mann wünscht". In gewisser Weise zum Gegenteil. Die "antifaschistische" Neurose, die in unseren Ländern als Kampf gegen Auschwitz ausgegeben wurde und die den Kindern schon einzupflanzen als Hygienemaßnahme nichts als scheitern kann, wie man ja fortlaufend sieht, ist vielmehr ein politisches Kampfmittel der Linken gewesen, die aus diesem Grund an einer wirklichen, wahrhaftigen Näherung an dieses Phänomen gar nicht interessiert ist. Sie hat schlicht alles, was ihr entgegenstand, mit dem Etikett "Auschwitz" versehen, und damit hörte (und hört) jede Diskussion um Wahrheit, jede wirkliche Aufarbeitung per Dekret auf.

Auschwitz herauszugreifen, den ganzen Rest aber nicht zu sehen, der zu einer tiefgreifenden Kritik an der Gegenwart führen und damit die Fundamente der gesamten gegenwärtigen Politik hinterfragen würde - als Technizismus, den der Nationalsozialismus, das Hitler-Regime, als erster moderner Staat, einfach umsetze, und damit unseren gegenwärtigen Staaten die Schablone lieferte, deshalb die aggressive Durchsetzung bestimmter Ausschließungsdogmen, mit denen wir Distanzierung vortäuschen -, verhindert also genau das, was einzig und wirklich eine Aufarbeitung dieser Vergangenheit ermöglichen würde. Erst dann könnten wir sie überwinden.


Teil 2 morgen) Wie die Hamster im Rad, 
gezwungen zu wiederholen und zu wiederholen ...




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