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Dienstag, 7. Mai 2013

Kann die Zukunft gewußt werden?

Natürlich, schreibt Hedwid Conrad-Merius in ihrer Untersuchung "Die Zeit", kann es "Hellsehen" (in Vergangenheit und Zukunft) geben. Die streng metaphysische Konzeption des Kosmos schließt es nicht aus. Die Frage ist nur, wo ihr Raum ist.  Sie ist zugleich in denkerischer Konsequenz strikt von ihrem sittlichen Wert zum einen, und von der "göttlichen Inspiration", der Prophetie oder göttlicher Offenbarung in Hellsichten, zu trennen. Sie bleibt innerweltlich, sozusagen.

Auch leiden die meisten der Erklärungsversuche gerade an einer stringenten Metaphysik.* Eine "Gleichzeitigkeit" der Zeiten, wie häufig vorkommt, kann es nicht geben. Was war ist nicht mehr, und das sein wird, ist noch nicht, das ist mit denkerischer Notwendigkeit nachzuweisen. Beides bleibt imaginativ. Auch ist es nicht die Jetztigkeit, die einmal nach vor, einmal zurück gehen kann. Das Jetzt ist immer statisch. Nicht statisch aber ist der äonische Horizont der Wirklichungspotentialität, den Weltimagine sozusagen: Bilder, die auf ihre Hervorrufung durch real gegebenen Eros (in der realen Welt) reagieren.

Conrad-Martius verwendet sogar das Wort "Maya" dafür, verwendet es aber ausdrücklich anders als fernöstliche Philosophien.  Denn deren Maya hat als subjektive Illusion KEINE Realität, z. B. als bloße Illusion aus Leidenschaften. "Diese" Maya aber ist eine reale, keine illusionäre Stufe der Welt. Und nur als solche macht sie Hellsicht denkbar. Denn wirklich reine Illusionen hätten auch keine Realität, in der sie gründen, aus der sie stammen könnten. Als reiner Geist gedacht fehlt ihnen nämlich der Stoff, in dem sie sinnliche "Bilder" werden könnten. Welt ist per definitionem sinnlich. Geist und vitale Empfindung nicht klar auseinanderzuhalten ist ja eines der Grundprobleme der Gegenwart. Geist selbst kann kein Objekt des Sinneseindrucks sein.

Denkt man sich diesen (noch rein innerhalb der Schöpfung seienden, als ihr erster konkretisierender Bereich, sozusagen) räumlich unräumlichen und zeitlich unzeitlichen dynamischen Horizont des "irgendwann in die Welt Hineinwirkenden" in einem Äther, denn er bräuchte ein Träger-, ein Mediumselement, so ist es denkerisch nicht ausgeschlossen, daß entsprechend disponierte Personen diese Kräfte in Bildern imaginieren können. In denen sie diese Dynamik in Bilder umsetzen.

Nicht möglich ist dabei eine Festlegung auf die Zeit (das gienge nur ableitungsweise), zum einen, und die auf "jedes Detail". Das bestätigen im übrigen auch die Erfahrungen mit Hellsehern, deren Vorhersagen in diesen Dingen oft gehörig fehlgehen. Vorhersagen sind als imaginierte, bildlich gesehene Grundmöglichkeiten denkbar, nicht aber genau wann, und genau wie, und auch nicht mit absoluter Sicherheit "daß", sie sind nur Wahrscheinlichkeiten.

Das alles, noch einmal, gesagt ohne die sittliche Qualität (und gar: die praktische, sehr komplexe menschliche Faktizität, in welcher sich das ja immer abspielt) behandelt zu haben. Die ein Problem der Freiheit und damit des individuell Schöpferischen ist, das ja erst "Zeit in Raum umschafft". Mit dem Paradoxon, daß die Zukunft "zu wissen" gerade das imaginativ Vorhergesehene im Neugierigen ALS schöpferisch-sittliche Tat geradezu verhindert, nicht fördert: die Vorhersagung wirkt also selbst wiederum auf den Zeitenlauf ein, und verändert ihre Inhalte in sich selbst. 




*Das Argument, daß es darauf nicht ankommen könne, denn DASZ es etwas gebe, sei ja "empirisch erwiesen", stimmt ja prinzipiell nicht, wie der regelmäßige Leser dieses Blog hoffentlich nachvollziehbar auseinandergelegt fand. Denn die Wahrnehmung als geistiger Akt ist eine Frage des Horizonts des Wahrnehmenden, der Deutung und schöpferischen Phantasie, die er den sinnlichen Reizungen zuwendet und anbindet. Keine Bilder, keine "Realitäten", keine "Wahrheiten" ergeben sich einfach aus der sinnlichen Empfindung. Was jemand nicht "denken", nicht "vorstellen" kann, sieht er auch gar nicht. Umgekehrt sieht der Irrende eben falsch oder gar nicht.




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