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Freitag, 10. Mai 2013

Unexaktheit (1)

Es gibt keine Messung, die nicht auf einer Schätzung, also auf einem vitalen Prozeß, aufruht. Und Pálagyi illustriert es an einem Beispiel:

Wenn ein Ding abgemessen werden soll, sagen wir: auf Länge hin, wie ein Stock, so ist nicht nur zu berücksichtigen, daß der Stock je nach Situation und Zeit unterschiedlicher Länge ist, das wäre noch grosso modo zu vernachlässigen, es ist nur eine kleinere Differenz (kein materielles Ding ist konstant maßhaltig). Vielmehr ist der Prozeß des Anhaltens des Maßes zuerst einmal ein Schätzprozeß. Zwei Menschen werden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, wenn sie bestimmen sollen, wann zwei Maße - das des Stocks, das des Bandes - übereinstimmen, und in welcher Hinsicht.

Wer egal welche Meßprozesse untersucht wird feststellen, daß jedem dieser Prozesse eine solche Schätzung bzw. eine quasi willkürliche bzw. vereinbarte Festlegung, vorausgeht und zugrundeliegt. Die Idealität mathematischer Prozesse ist in die Realität nicht übertragbar, sie ist eine Transzendierung realer Formen in ein real nie erreichbares Ideal. Man kann sich diesem Ideal bestenfalls nähern.

Die der Meßleistung vorausliegende Schätzleistung ist der sicherste Erweis für von geistigen Prozesen getrennt zu betrachtende vitale Prozesse. Selbst ein Zeitpunkt, ZU DEM gemessen werden soll, liegt - schon aufgrund seiner Reaktionszeit, in der eine Anzahl von geistigen Akten gesetzt werden muß, so klein die auch sein mag, oder in der Festlegung eines mechanischen Zustands, der auch bei elektronischer, mechanischer Messung der Zeit unterliegt - an seinem allerersten Grund im Rahmen einer Schätzung.

Damit erscheint dem Mechanisten natürlich das Leben selbst als störender Faktor seiner vermeintlich exakten Wissenschaft. Ein Grundimpuls, der nicht selten zur Haltung wird.

Es gibt sehr berühmte Fälle der Meßdifferenzen, die nur aus der persönlichen Disposition der Beobachter herstammen. So in dem des Astronomen Maskelyne, der jahrelang täglich die Planetenbewegungen durch das Mittagsfernrohr beobachtete, und sich dabei mit einem Assistenten absicherte. 1794 stimmten die Beobachtungen beider noch exakt überein. Aber im Laufe der Jahre bis 1796 stellte Maskelyne fest, daß sein Assistent bei jeder Messung um 0,5-0,8 Sekunden später dran war, als er. Er entließ ihn deshalb, denn er meinte, sein Assistent habe sich eine falsche Beobachtungsmethode angewöhnt. Erst Bessel gelang der Nachweis, daß zwischen ALLEN Beobachtern Meßunterschiede festegestellt werden konnten. Die Unterschiede waren umso größer, je kontinuierlicher das beobachtete Phänomen war. Trat es plötzlich oder unvorhersehbar ein, waren sie fast oder gar nicht vorhanden. Auch stellte er fest, daß sich die Beobachtungsdifferenz im Laufe der Zeit immer wieder änderte.

Ebenso wurde die Differenz größer, wenn mehr als ein Sinn beteiligt war, also das Ohr zum Beispiel. Unterschiedliche Personen hatten unterschiedliche Geschwindigkeiten in der Koordination der Sinneseindrücke. Das kann aber nicht an der bloßen mechanischen Leitungsgeschwindigkeit der Nerven liegen. Sondern es gründet in der Natur der Wahrnehmungsprozesse als Kreisprozeß: in dem ein persönlicher Verarbeitungsprozeß dazwischengeschaltet wird, zum einen, und daran, daß zwei Wahrnehmungsprozesse unterschiedlicher Art (z. B. Sehen und Hören, also geistige Akte) nicht auf einmal stattfinden können. Jede Wahrnehmungsart braucht einen eigenen geistigen Akt, und den Akt des Zusammenführens. Es gibt aber keine Mischempfindungen aus sinnlichen Empfindungen unterschiedlicher (sic! - denn sehr wohl: gleicher) Art!


Teil 2 morgen) Warum wir keine "Materie an sich" wahrnehmen können






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