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Sonntag, 30. Juni 2013

Erkenntnis als sittlicher Akt

Die Erkenntnis ist ein reales Aus-Sich-Herausgehen des Erkennenden oder - was dasselbe ist - ein reales Hineingehen dessen, was erkannt wird, in den Erkennenden - eine reale Vereinigung des Erkennenden und des Erkannten. Das ist die fundamentale und charakteristische These der gesamten russischen und überhaupt der östlichen Philosophie. 
Wir sind zu ihr auf einem etwas anderen und sichereren Wege gekommen, indem wir geradezu auf das Herz und die Seele dieses "Herausgehen aus sich selber" als auf einen Glaubensakt im religiösen, orthodoxen Sinn hinwiesen, denn das wahre "Hinausgehen" ist eben der Glaube, alles andere kann traumhaft und trügerisch sein. 
Die Erkenntnis ist also kein Ergreifen des toten Objekts durch das raubgierige gnoseologische Subjekt, sondern eine lebendige sittliche Gemeinschaft der Persönlichkeiten, von denen jede jeder als Subjekt und als Objekt dient. Im eigentlichen Sinne ist nur die Persönlichkeit und durch die Persönlichkeit erkennbar.





Wenn die Vernunft nicht des Seins teilhaftig ist, so hat auch das Sein an der Vernunft nicht teil, d. h. es ist alogisch. Der Akt des Erkennens ist deshalb nicht einfach ein gnoseologischer, sondern ein ontologischer Akt, nicht nur ein idealer, sondern ein realer Akt.



Pawel Florenski, in "Säule und Grundfeste der Wahrheit"





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