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Montag, 10. Juni 2013

Vom Einen zum Vielen (1)

Vielfach wird argumentiert, daß der Monotheismus eine Entwicklung aus dem Polytheismus darstellt. Betrachtet man aber eine polytheistische Religion - wie die indische -, so stellt man das Gegenteil fest. Dann stellt man fest, daß der Polytheismus eine Folgeerscheinung kultureller Diversifikation darstellt. 

Gerade die Veden zeigen es in ihrer Entwicklung. Mit der Entfaltung einer Kultur im Fortschreiten der Zeit wurden je einzelne Aspekte des "Gesamtgottes" (den wohl alle polytheistischen Religion haben, betrachtet man ihr Verständnis davon genauer) für sich gestellt, entwickelten eine Art Eigenleben. Und daraus erwuchs der sogenannte Vielgötterglaube, weil hinter diesen spezifischen Erscheinungen spezifische Wirkmächte gesehen wurden.

Das hat viel mit der Entwicklung der Philosophie und ihrer Leistungskraft auf der einen Seite zu tun (die indische Philosophie, um beim Beispiel zu bleiben, hat sich aus der Metaphysik und Religion entwickelt), ist zum anderen - wie in Judentum, Christentum und Islam (der direkt an die Offenbarungskraft des Christentums anschließt, sie aber zu übertreffen meint) - gebunden an eine Offenbarung. Aus deren integrativer Kraft der Wahrheiten heraus erst alle Aspekte der Welt integriert werden können. Umgekehrt belegt sich das Gesagt aus dem historischen Umstand, daß in Indien wie in Griechenland leicht nachweisbar die Philosophie zum Zeitpunkt eines entwickelten Polytheismus entstand, als Versuch, das Viele wieder ins Eine* zu führen.

Gerade in den Vedas fallen sie aber wieder, in gewahrter Vagheit der Gestalt, in diesen Einen Gott zusammen, was belegt, was hier gesagt wird. Dort aber wird es zur "Priestertechnik", wie in Ägypten oder Babylon, schreibt Georg Misch. Zur widerspruchslosen rationalen Auflösung reichte die rein religiöse, disparat und widersprüchlich gewordene Bewegung nicht mehr, wiewohl der Bezug auf den allein-einzigen Gott (quasi: daneben) bestehen bleibt, weil nicht auflösbar ist. Die rein theologischen Grundbegriffe des Einen Gottes also bleiben erhalten.

In der Grundbewegung aber sind beide erwähnten Religionstypen gleich: Sie haben aus einer Zentralwahrheit heraus nach und nach, in historisch bedingten Prozessen, mit denen sich die Herausforderungen und Aspekte wandeln, ihre Lehrsysteme entwickelt. Sodaß sich in jedem Detail das Zentralgeheimnis wiederfindet, so wie das Licht sich im Prisma von der Einheit zur Vielheit (man beachte die religiöse Bedeutung des Regenbogens!) bricht.

Bis sich der personale Bezug des Religiösen mehr und mehr in metaphysisch-philosophische Systeme hinein auflöste, die in ihrer Reinform, den gnostischen Bewegungen, dieses Wissen selbst, abstrahiert, zu Gott selbst machten. Rein verbal (als Äquivokation) eine gar nicht so falsche Sicht - ihr Irrtum liegt auf anderer, eben praktischer und menschlicher Ebene der Unfreiheit (Klartext bei der Gnosis: Hochmut!)

HIERIN läßt sich das Verbindende (und nominell scheinbar, aber meist nur scheinbar Ähnliche, oft genug bloß Äquivoke) aller Religionen finden. Aber es hat keine Aussage über ihre soteriologische Dimension, hier muß alle "Panreligiosität" ihre Grenze finden. Denn das "Revolutionäre" des Christentums ist nur zum Teil aus ihrer Offenbarungswahrheit verstehbar. Hierin finden sich viele Parallelen und gemeinsame Grundzüge mit anderen, ja allen Religionen der Welt. Die theologischen Spekulationen der Vedas stimmen z. B. mit theologischen Deutungen der Dreifaltigkeit bemerkenswert überein!

Aber alles liegt in der Seinsdimension ihrer Heilswirkung - in der realen Inkarnation dieses "Gesamtgottes" selbst. Und das ist der zentrale Punkt der Unterscheidung aller Religionen und Heilswege auch untereinander. Dort wird auch die indische Religion zum Pantheismus, weil Welt und Gott in allem in eins fällt. Feuer IST ihnen Gott. Das Rind (Quell des Lebens) IST Gott, in Selbstzeugung Gottes (über den Weg Feuer - Erde - Leben etc.) entstanden. Aber selbst hierin noch in vielem mit katholischer Spekulation (z. B. Gottesmutter - Tochter des Sohnes ...) vergleichbar.

Nur von dieser Warte aus betrachtet wären die Unterschiede der Religionen also nur graduell zu sehen. Das Katholische des Christentums umfaßt aber tatsächlich alle Vielheiten der Welt in sich, und zwar nicht graduell, sondern prinzipiell anders. Weshalb der Zugang zu ihm in der je subjektiven Weise geöffnet oder verhindert liegt, in der der Einzelne sein Heil, das Ziel seiner Grundsehnsucht erblickt.

Sodaß sich auf dieser Ebene - nennen wir sie: kulturell - eine neue Ebene der Parallelen und Gemeinsamkeiten durchaus erblicken läßt. Aber hier liegt die Ebene der Freiheit. Das Allumfassende kann nur die Gesamtebene der Freiheit sein. Wer deshalb das Katholische zur Konfession umdeutet, macht denselben Fehler, wie ihn alle übrigen Religionen machen - er drängt sich (als einzig erkennbare Lösung) auf eine unfreie Wirkebene. Deshalb sind auch die pastoralen Wege (nennen wir so) aller dieser nicht-katholischen Religionen nicht nur ungeeignet oder graduell mangelhaft, sondern prinzipielle Verfehlung.

Im Katholizismus wird dieses Wissen, die Wahrheit selbst wieder in das Personale hineingenommen, der Ebene des rein Rationalen also wieder entrissen, in der das Wissen in sich austrocknet. (Deshalb auch neigt der Rationalismus ja zum Obskuren, zum "Geheimnisvollen" - als Versuch eines Auswegs. Rationalität, zeigt beweishaft Gödel, ist in sich nicht begründbar. Sie braucht also ein offenbarendes, jenseitige, transzendentes Element. Gödel verfiel in Spuk- und Verschwörungsglauben ... Oder wie Menschen, die mit der Relativitätstheorie argumentieren, und jeden Dienstag ihre Reiki-Meisterin besuchen.)



Teil 2 morgen) Ins Personale zurückgeholte Vernunft




*Georg Misch, der diese Entwicklungen ausgezeichnet ordnet, nennt dieses "Eine" den "nacktesten Ausdruck für den metaphysischen Gegenstand."







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