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Freitag, 7. Juni 2013

Vom Wesen des Schizoiden (4)

 Teil 4) Wahrheit ist eine Frage des Lichts, das auf etwas fällt. 
Zitate, und wie man sie auch deuten könnte.




Alles richtig, gewiß, was Bergoglio schreibt, so irgendwie jedenfalls, und eben nicht mehr. Einen Häresiestrick expressis verbis kann man ihm nicht daraus drehen. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Aber Wahrheit ist mehr als "nichts Falsches sagen", oder "theologal Richtiges sagen". Wahrheit ist mehr als theologische Wortfragmente zu verkünden. Das sagt er ja sogar selber. (Das Falsche sagt sich auch immer selber aus, nur auf andere Weise.) Die Wahrheit ist Fleisch geworden. Die Kirche ist die (neue, wiederhergestellte) Gemeinschaft der Geschaffenen mit Gott selbst, und nichts in ihr ist deshalb von dieser Liebe Christi ausgenommen, ja im Gegenteil: es ist der Ort, an dem diese Liebe wirklich wird. In einem überwältigenden Stufenbau, in dem alles einander zugeordnet ist, und von oben nimmt, und nach unten gibt.

Aber irgendwas stimmt mit dem Grundton des Buches nicht. Sieht man die Dinge unter einem ein wenig anderen Horizont, kriegen "an sich richtige" Aussagen, mit denen die fast 300 Seiten voll sind, plötzlich eine ganz andere Färbung. Hören Sie zu:

"Gott befiehlt dem Abraham, seine Heimat zu verlassen und auf den Besitz des Landes zugunsten des Landes zu verzichten, zu dem er sich auf den Weg macht und das ihm in der Verheißung vollkommen gegeben wurde. Was in besonderer Weise Exil ist, trägt die Kraft des Vaterlandes in der Verheißung in sich, was aus Abraham einen Menschen unterwegs macht, der stets für neue Lagerplätze offen ist." - Nicht falsch, auf seine Weise sehr sehr richtig. Oder? Deute der geneigte Leser, nur als Versuch, das aber unter dem Licht des hier Gesagten - was kommt dann raus?

Oder: "Die verwitwete Kirche verharrt im Gebet (Apg 1,14), verkündet das Evangelium (vgl. Apg 6,4) und hilft den Armen (Apg 6,2); dabei erwartet sie den Geist, der beständig kommt und sie fruchtbar macht, damit sie neue Kinder gebiert; und sie erwartet ihren Bräutigam, der zur endgültigen Hochzeit wiederkehren wird. Sie hat es gewissermaßen akzeptiert, von ihrem Bräutigam getrennt zu sein, den sie sehnsüchtig erwartet: Komm Jesus! (Offb 22,20) [...] Doch nicht alle, die zum Hochzeitsfest geladen sind, haben den Ruf angenommen, ja mehr noch: Sie haben ihn abgelehnt und sich für ihr eigenes Fest oder sogar für das Anti-Fest entschieden: den Acker, das Geschäft oder die Grausamkeit derer, die seine Knechte ergriffen, mißhandelten und töteten (Mt 22,2-14)" Auch das - nicht falsch, sehr richtig. Auch das aber: deute man das mal unter anderem Licht?!

Alle knapp 300 Seiten ließen sich so zitieren. Alles richtig, alles wahr, so irgendwie jedenfalls. Aber alles ... so seltsam ... abgehoben, anders kann man es kaum sagen? Was heißt es eben, das Kreuz aufnehmen? Was heißt es, zu leiden? Woran? Wie? Was heißt es, Wahrheit nicht nur mit Worten zu verkünden, wie es an einer Stelle steht, sondern mit dem Kreuz? Und das hat nichts damit zu tun, daß es sich eben hier um Priesterexerzitien handelt. Was heißt es, wie Kardinal Bergoglio (damals noch "nur" Kardinal) fordert, wenn Priester einander Respekt - "re-spicere", zweimal hinsehen (cit.) - erweisen sollten, ohne Bezug zur Gestalt? Nicht doch, daß alle "gleich" sind? Werden da nicht die Kategorien und Ebenen etwas ausgeblendet, vor denen erst solche Aussagen hier wahr, dort aber falsch sind?

Und wie soll man eine Stelle wie diese deuten: "Man kann sich würdevoll aufführen, indem man die eigenen Begierden mit Mäßigung handhabt (was zuweilen keine Tugend ist, sondern der Furcht vor Krankheit entspringt oder eine hypochondrische Befolgung ärztlicher Ratschläge darstellt), indem man die Sinnlichkeit sublimiert und so sehr verfeinert, daß man Seelen streichelt anstatt Körper und körperliche Nähe sucht unter dem Vorwand geistlicher Begleitung. Man kann auch so weit kommen, zu wissen, wie man die Wehwehchen des Alters stilvoll erträgt, sich bedächtig benimmt und Gefühle nicht zeigt, ja nicht einmal zuläßt, daß etwas von den inneren Seelenzuständen nach außen dringt. Eine gleichmütige Seele kann auch eine Maske sein oder mehr noch ein Panzer, und zwar nicht nur ein äußerer, sondern einer von der Art, die jeden inneren Aufruhr im Keim ersticken."

Ist das wirklich eine ... Aussage? Das klingt doch schon verdächtig sogar nach ... na, sagen wir es nicht explizit, wenn wir Gewäsch meinen, das sich psychologisch tiefschauend gibt, dabei aber durchaus von jener Verleumdungskraft sein könnte, die man wenn man die Kirche von innen etwas kennt (und der Verfasser dieser Zeilen kennt sie ein wenig von innen), in jenen leider längst üblichen Jargon gehören, mit dem einfach ausgemerzt werden soll, was bestimmter Geisteshaltung ein Dorn im Auge ist.

Sagen wir nun nicht, als was wir solche Aussagen AUCH, ja VOR ALLEM (und in der Kirche) gehört haben, wo sie so gerne verwendet werden - nämlich um die Integrität einer Person "zu knacken", schlicht und ergreifend, sie gefügig zu machen für eine neue Wahrheit, eine andere.  Weil Wahrheit in der Gestalt einer Person verfleischlicht ist, und Person als Persönlichkeit heißt: Bedeutung, Sinn wahrnehmen. NICHT in ein seltsam "Persönliches" auflösen. Man begegnet niemandem "nur" als Mensch, sondern immer als "Jemand", in Beziehungen, in Sinn, in RITEN.

Sagen wir aber lediglich, daß das eine der vielen Aussagen ist, die so seltsam auf Messers Schneide spazieren - nominell nicht falsch, ABER ... sie könnten etwas verdammt Falsches meinen. Denn weil es längst so üblich ist, kennte man alles das nicht genau von dort, müßte man direkt sagen: Das ist eben schizoide Anwendung, die nicht falschen Worte, um etwas Falsches, ja Böses zu erwirken.

Und was ist damit (S. 167): "Wenn wir diesen Herrn sehen und es geschehen lassen, daß er uns seine Botschaft im Spannungsfeld von Bildern und Worten kundtut, dann können wir uns nach unserer Freude am Dienst, nach unserem Eifer, nach unseren Traurigkeiten und Sorgen fragen. Die Gestalt des Herrn heiligt als Symbol, und als Wort nähert sie sich auf menschliche Weise und macht menschlich." Ja, das ließe sich sogar so deuten, daß der Verfasser dieser Zeilen, in wahrhaft hysterischem Gestus, doch nur offene Türen einrennt? Spricht nicht auch er von "Mensch" und "Menschlichkeit"?

Würde Bergoglio nicht fortsetzen: "Wir können uns fragen, wie wir uns selbst weihen, mit welchen Gefühlen wir die Vergebung der Sünden gewähren und auf welche Weise wir im Alltag den Menschen nahekommen. Verbirgt sich hinter all unseren Gesten dieselbe Liebe? Der Herr hat alle rituellen Mechanismen außer Kraft gesetzt und nur die Liebe geheiligt, die sich in diesem 'Fürchte Dich nicht' als Wort und Geste der Hingabe zu erkennen gibt. Jede Traurigkeit im Dienst, jedes Erschlaffen, jedes Austrocknen der Quellen des Eifers rühren vom Verlust des Kontakts mit diesem lebendigen Herrn her."

Denn das wandelt schon am Rande der Häresie, wenn man es wirklich genau nimmt. Ist zumindest schlichter Unsinn.  Was soll das heißen - daß Kontakt mit dem lebendigen Herren ein Bad im Wohlgefühl ist? Welchen Herren meint er da? Welchen meinte etwa eine Theresia von Avila auf ihrem Weg zur Vereinigung, die sich so ganz anders anhört, anhört, als hätte sie überhaupt noch nie ein menschliches Gefühl gehabt. (Ihre Briefe etwa sind wie messerscharfe Kristalle, und genau deshalb strahlen sie so.)

Und schon gar wenn man Implikationen dazunimmt, die aus dem Geist der Gegenwart, dem Zeitgeist wie von selbst zuströmen, als wäre eine Blase aufgestochen, die sich aus der Formulierung wie von selbst einladen. Formauflösung, schlicht und ergreifend, als Weg zu Gott? Seit wann? Haben wir da etwas verpaßt? Oder Ignatius, den wunderbaren Ignatius falsch gelesen?

Dazu paßt dann auch die häufige Verwendung von Worten oder gar Mahnungen zur "Knechtsgestalt" (u.a. S. 180), in der der Liebende sich zu zeigen habe. Ah ja, "Schluß mit der Maskerade" oder so. Wer liebt, trägt schmuddeliges Sackleinen, der neue Weg zur neuen Kirche? Nichts hat den Verfasser dieser Zeilen so entmutigt, als er am ersten Abend im Obdachlosenheim (im Frühjahr 2001) von einem Mann in schmuddeligem Pulli und abgetragener Jeans angesprochen wurde - der sich als Seelsorger, als Priester entpuppte. Gibt es also überhaupt keine Hoffnung auf ein besseres Dasein? Sollte wirklich das, wo er nun gelandet war, alles sein, in dem er es sich nur einrichten mußte? Führte da kein Weg mehr nach draußen, nichts in ein Leben in Würde zurück? Der Mann wurde fast pampig, als der Verfasser dieser Zeilen bitter auf die Frage antwortete, wie es ihm gehe: "Ja sehen Sie nicht, wo ich gelandet bin?"

Und, so nebenbei, wo bleibt in dieser Passage die im Satz zuvor zitierte Menschlichkeit? Das riecht förmlich nach Psychotechnik, von der so mancher Seminarist ein keineswegs schönes Liedchen singen kann. Und von Tiefe, mit Verlaub, von Tiefe keine Spur. Wie nannte solche Dinge einer der Lehrer des Verfassers dieser Zeilen? "Frommes Gerede ohne Substanz." In der PR nannte letzterer es: "Verdichtete heiße Luft."

In diese Kategorie fallen Absätze um Absätze. Sodaß manchmal sogar der Eindruck entsteht, daß die vielen frommen, "richtigen" Sätze, und die noch häufigeren Zitate, sämtlich natürlich mit Quellenverweis als Beweis ihrer Wahrheit, nur selbst Maskerade für eine in sich inkonsistente Aussagenleere, wenn nicht Verhüllensabsicht einer ganz anderen Aussage ist, die gar nicht explizit zu Wort kommen darf - denn dann WÄRE sie offensichtlich, und sie wäre häretisch.

Der Verfasser dieser Zeilen kennt das alles, sehr gut sogar, es ist ihm zuhauf begegnet. Es waren Vorgehensweisen, mit denen Personen agierten, die genau das wollten: verbergen, was sie eigentlich sagen wollten. Die nicht zitieren, um zu zeigen, wie alles in Eines läuft, das Vielfältige das Eine nur variiert, sondern um genau das vorzutäuschen - indem sie Aussagen "einharmonisieren", die aber in Wahrheit Bruchstellen sind, die NICHT im Einen gründen, sich nur täuschender Worte bedienen.

An die (führen wir das weiter) später nahtlos, sind sie einmal geschluckt, noch andere Seitenzweige angesetzt werden können. Die aber ganz andere Blüten treiben, deren Fremdartigkeit man jetzt, am puren Baum, aber noch merken würde. Sind nicht manche Aussagen des Zweiten Vatikanums leider genau dieser Kategorie zuzurechnen? Haben sie nicht diese seltsame Diskussion ausgelöst, als wäre der "Geist des Konzils" etwas anderes, als Rollwägelchen für alles, was früher noch so klar als unwahr erkennbar gewesen ist? Durch viele Worte, die auch an sich richtig weil nicht falsch - aber plötzlich ganz anderen Früchten unterlegbar sind? Hinter denen sich - ja, wir nennen es beim Wort - eine nicht einmal sehr subtile Form des Hochmuts, als Mangel an Demut, verbirgt. Der Gestalt annimmt als Kreuz: Begriff heißt nicht nur etwas bezeichnen, symbolisieren, er heißt auch, etwas ausschließen, erst dann wird er klar und wahr.

Demut, Demut ist es jedenfalls nicht. Diese Leute, von denen hier die Rede ist, haben hingegen nicht einmal eine Ahnung vom Hinsterben in ein Amt hin, auf eine Ordnung zu, das sei in immer freierem Ton gesagt. Und drum, ausgerüstet mit einer lächerlichen Pseudopsychologie herrschsüchtiger Psychotanten, bleibt ihnen, aus mangelndem Begreifen von Würde und Geist, nur, die Form selbst zu verleumden, in dem man angeblich ihren Inhalt wieder aufleben läßt. Damit die Würde des anderen falle, die ja "nur Eitelkeit" oder "Herrschsucht" ist. Und damit bleibt nichts mehr, nichts vom Amt. Es bleibt nur noch ... ja was?

Nein, der Verfasser dieser Zielen hat irgendwann den stetig anwachsenden Unmut nicht mehr überwinden, die Lektüre nicht mehr konsequent abschließen können. Im Bemühen um Redlichkeit, immer bereit das allmählich immer bestimmter werdende Urteil sofort umzustürzen, dennoch wieder und wieder weitergeschlagen. Das Urteil wurde nur noch bestimmter. Schließlich wollte er gar nicht mehr riskieren, dezidierte Häresien zu finden, das war ja nicht seine Aufgabe, und legte das Buch weg. Das mittlerweile zum widerlichen Zeitgeistschmarren herabgesunken war. Warum dieser Papst also so "gut ankommt", ist endgültig klar. Die Masse wittert ihre Stunde.




Teil 5 morgen) Kommt sie jetzt, die Nacht des Verstandes?


Teil 1) Der Ausgangspunkt
Teil 2) Von Früchten, Scheinfrüchten und Früchtchen
Teil 3) Braucht die Kirche einen frommen Papst?
Teil 4) Wahrheit ist eine Frage des Lichts, das auf etwas fällt. Zitate, und wie man sie auch deuten könnte.
Teil 5) Komm sie jetzt, die tiefe Nacht des Verstandes?




*070613*