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Samstag, 8. Juni 2013

Vom Wesen des Schizoiden (5)

Teil 5) Kommt sie jetzt, die tiefe Nacht des Verstandes?




Deshalb hat "Offener Geist und gläubiges Herz" von Papst Franziskus den eigentümlichen Charakter eines der zu Massen erhältlichen Erbauungsbüchleins frömmer Schwachgeisterchen - denen eines fehlt: die Kultur, auf die es aufsetzen könnte, die geistige Substanz und Sittlichkeit, um die Wahrheit in Gestalt zu bringen. Warum sonst sollte man überhaupt sprechen, schreiben. Auch dieses Buch ist wie in eine abstrakte, nie vorhandene Zeit und Welt gesprochen. Weltlos, im wahrsten Sinn, inhaltlich wie in seiner Ratschlägigkeit eine Anleitung sich vom Acker zu machen. Eine Seite wie die andere.

Bis man irgendwann anfängt sich zu verwundern, denn jede Seite scheint bald wie die vorhergehende. Bis man das Buch endgültig weglegt. Es nimmt sich viel vor. Aber es hat nichts zu sagen. Möchte aber etwas bewirken, und wirkt damit wie eine Ankündigung, fast wie ein Lauern. Ein Buch als Verschleierungsversuch. Die vielen Zitate verstärken den Eindruck, daß hier mehr fehlt als Kairos.

Machen wir die Nagelprobe, denn vielleicht sind dem Verfasser dieser Zeilen längst alle Verstandesglühbirnen durchgebrannt. Sehen wir also, was er tut und tun wird. Was heißt, was er getan hat. Es wird sich alles weisen. Beim Twitterpapst, der fast täglich eine Botschaft absetzt. Auch die - gut, ja, richtig, sehr richtig, scheinbar auch mal tief, in gewisser Art. Der Küsserpapst. Der Protokollbrecherpapst. Der aus dem Fahrstuhl grüßende Papst. Der in Buenos-Aires-anrufende Papst, der ein Scherzlein treibt. Der Auto-anhalten-Frau-segnende Papst. Der öffentliche-Busse-benützende Papst. Der vom päpstlichen Balkon einen-schönen-Abend-wünschende Papst, den man sich so gut vorstellen kann, wie er dann hineingeht, ins Haus, und sich in Filzpatschen vor den Fernseher setzt und den Kardinal von Venedig nach der Fernbedienung fragt. Der jedes Kind-herzende Papst, das nicht schnell genug auf den Bäumen ist (manche versetzt man für solche Zutraulichkeiten in eine stille Pfarrei im hintersten Waldviertel). Der allen Pomp ablehnende Papst. Der ein mit Gold überzogenes Eisenkreuz tragende Papst. Der weiterhin im Gästehaus wohnende Papst.

Gehört er gar nicht hinein, in die Gemächer, die sein altersschwacher Vorgänger gerade mal geräumt hat, mit dem er nun Tür an Tür wohnt? Sagt uns das alles nicht etwas, nämlich einfach das, was es wirklich sagt? Erzählt er selbst es uns nicht, dauernd, nicht nur einmal, stößt uns mit der Nase drauf? Verweigert er nicht das Schild "Papst" auf der Tür, obwohl er den Namen ausspricht? Was also sehen wir? Ließe sich seine Verweigerung der Distinktheit des Papstamtes auch dahingehend deuten, daß ihr ein Mangel an Persönlichkeitskraft zugrunde liegt? Der die Menge, Gruppe braucht, weil sie nicht selbst stehen kann, dem die sachliche "Distanz" des Selbstseins der Dinge eine nicht zu bewältigende Hürde bedeutet. Die das Formale (das aber jenes ist, das Eigenschaftlichkeit trägt und deshalb der Wahrnehmung präsentiert) nicht zu tragen vermag. Heiligkeit ist doch an sich die Kraft zur Trage, zur Form, weil IN IHR der Geist im Fleisch, im Dinglichen gegenwärtig ist, sodaß Heiligkeit und Kultur regelrecht zu einem Homonym verschmelzen. Und DORT liegt das Kreuz.

Was erwartet die Kirche von einer schwachen Persönlichkeit? Warum hat man eine solche gewählt? Was läßt das für Rückschlüsse auf die Persönlichkeiten des Wahlgremiums zu? Das paßt doch wie die Faust aufs Auge auf jede Diagnose über die Probleme der Kirche in dieser Zeit.

Und was aber hören wir aus dem Munde des Erwählten? Das Gegenteil. Gehört es nicht zum Wesen der Schöpfung, daß das was sie ist auch sichtbar, erkennbar ist, weil erst dann der Logos erkenbar wird? Wie nennen wir Dinge, die nicht aussehen und nicht handeln wie das, was sie "sind"? Was wäre dann überhaupt Kultur anders als Lobpreis Gottes IM möglichst vollkommenen SELBSTSEIN der Schöpfung? Zuckerstreusel am Hefekuchen, um den alleine es ginge?

Wenn also dieser Verdacht, diese Schizoidität vom Verfasser dieser Zeilen richtig diagnostiziert wird, dann zeigte sich etwas Seltsames - eine wirkliche Kontinuität. Denn das war der Weg der Kirche seit Jahrzehnten, dort hinein hat sie sich entwickelt. So ein Papst ist nur noch die logische Folge. In der Liturgie, in den Erneuerungsbewegungen, in unendlich vielem. Das ist das Wesen der Früchte, die sie seit Jahrzehnten in die Auslage stellt. Die aber furchtbare Scheinfrüchte sind. Und sich hier in einem wahren Früchtchen ihre Blüte gesucht haben könnte, der perfekt versteht die schizoide Methode anzuwenden, ja die zu seiner Natur geworden ist. (Er ist der erste Papst, der schon in der reformierten, in der Auslieferung an die "Praxis" so entstalteten Liturgie Priester wurde.)

Dann wäre auch verständlich, daß das Jubelkonzert so vieler so groß wie noch nie geworden ist, die gar nicht bemerken, daß sie pausenlos Wahrheit, ihre Wahrheit, in diesen Papst hineindeuten - anstatt sie zu empfangen, und an ihr heil zu werden. Die ja gar kein Heil mehr brauchen, die es längst besitzen, eben heutige Menschen sind. Es ist das Aufatmen jener, die froh sind, nun selbst in ihrer Schwäche und Kreuzesverweigerung bestätigt zu sein.

Und genau das ist auch die Botschaft des vorliegenden Buches, gerade wegen der wortreichen gegenteiligen Behauptung, in der das Kreuz schlicht umdefiniert wird. Man kann vor solchen Leuten nur warnen. Gerade weil diese Persönlichkeitsbilder bereits so allgemein wurden, weil eine ihrer prägendsten Eigenschaften ist, oft sogar mit großer Energie - das Schlechte nach oben zu holen. Das Schlagwort von der "Kurienreform" (für die meisten ohnehin leer) wird so gerade unter der Vorgabe der "Verbesserung" zur gefährlichen Drohung, entscheidende Anker der Institution auszureißen. Dabei mit besonderer Betonung der institutionalen Funktion, denn die benötigen sie in steigendem Maß. Bittere Stunden, die der Kirche bevorstehen, hören wir nur genau zu: Er fordert die anderen, die Priester auf, das Kreuz in Liebe aufzunehmen. Persönlichkeitsbilder dieser Art verraten selbst, was ihnen fehlt, sie definieren es nur um.

Wer jetzt kein Öl in der Lampe hat, dem fehlt dafür aber bereits das Licht.

Ja Moment, wo soll das hinauslaufen? Auf Sedisvakantismus? Ah, beileibe nicht, da möge Gott vor sein. Aber vielleicht, vielleicht wirkt eben der Heilige Geist GAAAANZ anders, als sich das viele vorstellen. Wirklich, ganz anders. Nicht durch fromme Worte. Sondern durch das, was der Papst explizit sagt: Durch das Kreuz. So richtig. Ohne Rosenbömmerl und Paukenwirbel des New Yorker Symphony Orchestra unter Bernstein. Und er sagt es sogar dann direkt. Schlechte Päpste gab es in der Kirchengeschichte zuhauf, läge ihre Existenz daran wäre es längst aus. Und doch ist nie "etwas passiert", mit dem Glaubensfundament. Der Schaden ist anders entstanden. Dante hat nicht wenig darüber geschrieben.

Wenn der Verdacht des Verfassers dieser Zeilen stimmt, sein Gefühl, seine innere Gewißheit, und Gewißheit dieser Art kann nur auf Gefühl aufbauen, dann hat der Leser es mit seinem Buch mit der schlimmsten Form der Lüge zu tun, die es gibt, und es wird nicht das einzige bleiben, und es wird immer dasselbe bleiben: Der Lüge mit wahren Worten, der Lüge mit der Wahrheit, aus der es fast kein Entrinnen mehr gibt - nur noch mit einer (heroischen) Sittlichkeit, die einen wirklich in die tiefe Nacht des Verstandes wirft, von der Theresia von Avila gesprochen hat, weil sie einem das Wort aus der Hand reißt: Der Lüge der Schizoidität.

Die Lüge dieser Zeit - und so viel wird verständlich, wenn man dieses Licht annimmt - ist nicht die Lüge der Worte. Nein, diese Zeit lügt gerade durch die richtigen Worte, auf allen Ebenen. Sie lügt, weil sie sich in die Wahrheit selbst hineinphantasiert, aus der imitatio Christi die Hülle der "imitatio" Christi macht. Sie nimmt einem die Worte. Denn der Schizoide sagt alles, auch Widersprüchlichstes, und er tut es, um sich zu verbergen, um die wahre Richtung zu verbergen, in die er durch sein Handeln und Wollen geht. 

Er sagt alles, aber er verbirgt, daß er nur eines davon auch meint, das ihm selbst rational nicht einmal zugängig sein muß. Damit wird der öffentliche Disput in der Kirche ganz schweren Schaden nehmen, und vor allem wird diese Art des Umgangs mit dem Wort dafür sorgen, daß sich der Verstand der meisten verfinstern wird, er wird unbrauchbar, er wird nur noch durch persönliche Abhängigkeit "formierbar". Der Mensch verliert seine Freiheit als Selbststand in der Vernunft, sein eigenes Denken wird zufällig, situationsbedingt und als Instrument der Wahrheit unbrauchbar. 

Dieser Charaktertypus greift zumindest lange Zeit nur an ganz kleinen Punkten und Rändern zur offenen Lüge als Tatsachenschwindel, die dann letztes Mittel wird. In seinem Buch der Priesterexerzitien hat Bergoglio es bereits vorgezeigt. Damit wird die Rationalität verleumdet und desavouiert. Wie soll man dann aber noch klären, wenn das Wort unbrauchbar wurde? Wenn es nie faßt, was es meint, kann es alles "meinen", dann bewegen wir uns nur noch im Reich vielfältig zu deutender Gesten, deren Interpretation völlig subjektiv und vor allem in der Hand des "Sagenden" bleibt. Nur er sagt dann noch, was "richtig" oder "falsch" interpretiert ist. Das Wort liefert diese Urteilsbasis nicht mehr.

Die vielleicht höchste, sicher aber letzte Form des Kreuzes. In jedem einzelnen Menschenleben gleichermaßen. Kann das aber ein Mensch noch tragen? Ja, kann er solches verantworten? Woran binden sich dann die Menschen? Denn Wahrheit braucht persönliche, menschliche Weitergabe. Also muß auch dieser Papst Papst SEIN. Anders geht das nicht, auch aus anderen Gründen - es berührt das Wesen der Kirche, ja der Schöpfung selbst. Aber man darf seinen Worten nicht trauen. Nicht einfach so. Man muß mit größter Sorgfalt und Selbstprüfung ihr SEIN-SPRECHEN suchen, das SELBSTDENKEN DES SEINS suchen, das das Wort IST, und das nicht einfach das Gedanken-Denken/Sprechen ist.

Umgekehrt warnt der Verfasser dieser Zeilen seine Leser, eindrücklichst. Aber zuerst ruft er ihnen zu: Geht weg, macht seine Hände nicht schuldig an Eurem Blut, indem ihr ihm ... glaubt. Denn der Verfasser dieser Zeilen hält diesen Papst für einen Lügner, wenn nicht für mehr. Und das wird sich auch zeigen, ohne jeden Zweifel. Man wird es nur sehen können müssen. Und daran wird es sich scheiden, ob man links oder rechts geht.

So war es gemeint, als an dieser Stelle vor einiger Zeit von den "Linien der Kontinuität" zu lesen war. Zu lesen war, daß sich der Rücktritt Benedikts XVI. als Lackmustest des Papismus erweisen könnte, als Scheidewasser des Glaubens, als Gericht. Sein Nachfolger wird die Kirche - siehe Goethe, Faust I, "Studierzimmer" - in den Strudel dieser Zeit endgültig mit hineinreißen, wohinein so viele Kräfte ja lange schon drängen. Sie haben nun freie Bahn. Was einer Läuterung, einem Siebeprozeß gleichkommt, den wir uns nicht wünschen hätten sollen. Der aber offenbar unumgänglich war, um die Kirche danach rein auferstehen zu lassen. Reinigung - das war ja die Absicht des Vorgängers. Seine Gebete wurden erhört.

Achten wir deshalb mit den eigenen offenen Sinnen und wachem, freiem Herzen auf die Gestalt der Dinge, die sich uns zeigen werden. Nur Gestalt bleibt, als Prüfstein und Träger der Wahrheit, die mehr ist als Worte. Denn vielleicht hat noch kein Zeitalter so wie das unsrige durch das Verwenden "wahrer Worte" gelogen. Damit hat sich die Sprache entleert, unsere Zeit ist verstummt. Was wir sehen werden, wird sich nicht - nicht gleich jedenfalls - im Wort zeigen. Die Gestalt aber kann nicht lügen.

Vielleicht erfüllt es sich somit auch hier, es wäre nur zu folgerichtig. Die Schöpfung aber ist ein Lied der Gestalten, die in dem Maß das Sein Gottes wiederspiegeln, als sie selbst sind. Einander nahe, wie Hans André es so wunderbar durchdenkt, indem sie einander abständig - gegenständig - sind, und so Sinn für beide erfüllen, einander vervollkommnen. Lassen wir uns nicht von jenen verwirren, die nichts mehr haben und sind, die deshalb dem, der noch hat und ist, zurufen, er sei eitel und stolz, er solle auch sein Sein in den Abfluß gießen - weil er treu und integer und liebend ist.

ZUVOR aber, versuchen wir's, wenn es denn sein muß, versuchen wir's: nehmen wir in einer Vorstufe einfach alles das hier Gesagte einmal als das, was es ja ist: Eine These. Ein Blickpunkt, davon kommt das Wort, dem wir nur einmal die Möglichkeit zugestehen. Dem aber nicht mit Worten (und auch das würde so einstimmen in diese These) mehr weiter beizukommen wäre. Nicht mit Internetseiten und Informationen, nicht mit Twitter und nicht mit Facebook. Es wäre dann nämlich nicht mehr die Stunde der Theologen und nicht einmal beziehungsweise nur indirekt die der Philosophen. Es könnte sich nur zeigen, für den, der noch zu sehen vermag. Es bliebe den Klugen und Weisen und Mächtigen verborgen.

Es wäre die Stunde des Künstlers. Es wäre die Stunde des Schauenden. Es wäre die Stunde des Fleisches, das die Welt als Analogie des dreifaltigen Gottes ist. Und würde damit wortwörtlich dem entsprechen, was dieser Papst sagt und schreibt. Aber es wäre etwas völlig anderes.


*Fin*



Teil 1) Der Ausgangspunkt
Teil 2) Von Früchten, Scheinfrüchten und Früchtchen
Teil 3) Braucht die Kirche einen frommen Papst?
Teil 4) Wahrheit ist eine Frage des Lichts, das auf etwas fällt. Zitate, und wie man sie auch deuten könnte.
Teil 5) Komm sie jetzt, die tiefe Nacht des Verstandes?





*080613*